Kein Abschottungs-, sondern ein Sicherheitszaun: spitze Drähte an der österreichisch-slowenischen Grenze bei Spielfeld.

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EU-rechtswidrige ungarische Einzäunung an der serbischen Grenze Mitte Oktober, die Flüchtlinge (im Hintergrund) bleiben draußen.

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EU-rechtskonformes Zaun-Ungetüm am Rand der spanischen Exklave Melilla. Wer ihn überwindet, hat – geringe – Chancen, bleiben zu dürfen.

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"Zaun": Für Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hat das Wort inzwischen offenbar Zauberspruch-Charakter. Damit hat es für sie den Ausdruck "Festung Europa" abgelöst – oder ergänzt.

"Zaun": Mit diesem Wort soll die FPÖ, die eine nationale Abschottung befürwortet, gebannt und gleichzeitig politisch angebunden werden. Und jenen Österreicherinnen und Österreichern, die einen Anti-"Asylanten"-Schutzwall gutheißen würden, wird dabei nach dem Mund geredet: "Schaut, ich denke wie ihr."

Gegen EU- und Schengen-Recht

Jedoch: Ließe Mikl-Leitner tatsächlich einen Zaun an der österreichisch-slowenischen Grenze bauen – eine kilometerlange, fest im Boden verankerte, stacheldrahtbewehrte Abtrennung – und setzte sich damit gegen den Koalitionspartner SPÖ durch: Sie würde gegen EU- und Schengen-Recht verstoßen. Das hat die ÖVP bisher immer vermieden.

Die Grundprinzipien der EU sehen freien Waren- und Personenverkehr innerhalb der Union vor. Ein Zaun wäre laut Europarechtsexperten daher vor dem Europäischen Gerichtshof erfolgversprechend klagbar.

Zur Freude Straches

Ein solches Verfahren würden in Österreich wohl nur Heinz-Christian Strache und die Seinen riskieren, diese jedoch wohl mit Freuden, so sie in Bundesregierungs-Verantwortung an der Macht – oder an ihr beteiligt – wären (was bald ohne Konjunktiv zu setzen sein wird, wenn es so weitergeht wie jetzt).

Doch "Zaun" ist, menschenrechtlich betrachtet, nicht gleich "Zaun": Laut dem UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) kommt es nicht auf die Art der Grenzabsicherung, sondern auf die Zugänglichkeit eines Staates für Asylsuchende an. Das ist ein anderer Fokus als jener der EU und von Schengen.

Trotz "Türln" kein Zugang

Nun wird ein eingezäunter Staat in der Regel wohl auch an seinen Grenzübergängen (den "Türln", um hier auch einmal Bundeskanzler Werner Faymann zu zitieren) wenig Offenheit gegenüber Schutzsuchenden an den Tag legen – siehe das heutige Ungarn. Dennoch ist der UN-Ansatz vom menschenrechtlichen Schutzgedanken her radikal, was man den EU-Freizügigkeitsregeln per se nicht nachsagen kann. Denn er geht auch mit den Wurzeln des derzeitigen Flüchtlingsproblems ins Gericht. Das da ist: die Abschottung Europas.

Ceuta und Melilla

Diese wird an manchen EU-Außengrenzen, etwa jenen an den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla, mittels martialischer Metallabsperrungen bewerkstelligt, gegen die selbst Ungarns Zäune entlang ungarischer Grenzen wie simple Gatter wirken. Das UNHCR stellt diese Zäune seit Jahren infrage.

Zwischen der Türkei und Griechenland vershindert ein Zaun dort, wo es an der grünen Grenze nahe dem Fluss Evros für Flüchtlinge am ungefährlichsten wäre, das Durchkommen. Und auch an der türkisch-bulgarischen Grenze steht ein Stacheldrahtverhau – beides sehr zum Missfallen des UNHCR. Es sei fraglich, ob der Zugang Schutzsuchender zur EU gewährt sei.

Jeder auf eigene Gefahr

Tatsächlich muss sich diesen Zugang jeder Schutzsuchende selber bahnen. Muss erst in die EU hineingelangt sein, um vor den dafür Zuständigen – Vertreter nationaler Behörden – das rettende Wort "Asyl" auszusprechen.

Das wird umso lebensgefährlicher, je mehr Zäune stehen. Genau das ist das Menschenrechtswidrige an der Abschottungspolitk der Friedensnobelpreisträgerin EU: dass sie Kriegsopfer und andere Verfolgte in Todesgefahren bringt, damit sie um ihr Menschenrecht Asyl ersuchen können. (Irene Brickner, 9.11.2015)