Bild nicht mehr verfügbar.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn

Foto: EPA/JULIEN WARNAND

Brüssel/Wien/Luxemburg – Die extrem schleppende Verteilung von Asylwerbern in Europa beschäftigt am Montag die EU-Innenminister. Bei dem Sondertreffen in Brüssel geht es um neue Zusagen und die Umsetzung von Entschlüssen, die schon vor mehr als sechs Wochen gefasst wurden. Die EU-Kommission pocht auf mehr Tempo.

Für Österreich wird Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) an dem Sondertreffen teilnehmen. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn warnte angesichts der Flüchtlingskrise vor einem Zerfall der Europäischen Union und einer Wiedereinführung von Grenzkontrollen zwischen den EU-Staaten.

Die umstrittene Verteilung von 160.000 eingereisten Flüchtlingen innerhalb Europas stockt: Bisher sind kaum mehr als 130 von ihnen umverteilt worden. Von der Regelung will nun – als drittes Land nach Italien und Griechenland – auch Schweden profitieren, das relativ gesehen die meisten Asylwerber aufnimmt. Andere EU-Staaten müssten dann bereits eingereiste Asylsuchende aus Schweden übernehmen.

Auch die stockende Finanzierung der EU-Hilfsfonds für Afrika, Syrien und für humanitäre Hilfe wird in Brüssel zur Sprache kommen. Die EU-Staaten hatten Milliardensummen in Aussicht gestellt, allerdings bleiben auch hier die Zusagen weit dahinter zurück. Ein weiteres Thema ist die Kooperation mit der Türkei als wichtigstem Transitland in der Flüchtlingsfrage.

Asselborn warnt vor Auseinanderbrechen

Während in Brüssel das Sondertreffen stattfindet, weilt der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier zu Gesprächen über die Flüchtlingskrise in Italien. Nach offiziellen Zahlen sind in diesem Jahr bereits mehr als 140.000 Bootsflüchtlinge übers Mittelmeer nach Italien gelangt. Auf einem Schiff der deutschen Marine will sich Steinmeier mit seinem italienischen Kollegen Paolo Gentiloni auch ein Bild von den Rettungseinsätzen der deutschen Bundeswehr machen. Italien verlangt von den anderen EU-Staaten mehr Hilfe in der Flüchtlingskrise, wird aber auch immer wieder für seinen Umgang mit den Migranten und deren zu lasche Registrierung kritisiert.

Asselborn sprach gegenüber der Deutschen Presse-Agentur von einer "sehr, sehr kritischen Situation" in Europa. "Die Europäische Union kann auseinanderbrechen. Das kann unheimlich schnell gehen, wenn Abschottung statt Solidarität nach innen wie nach außen die Regel wird", sagte der luxemburgische Außenminister. Die meisten EU-Länder hätten verstanden, dass die Genfer Flüchtlingskonvention gelte, sagte Asselborn, dessen Land derzeit turnusgemäß den Ratsvorsitz der EU führt. In der EU seien aber auch "einige dabei, die haben wirklich die Werte der Europäischen Union, was ja nicht nur materielle Werte sind, nicht richtig verinnerlicht". "Der Kitt, der uns zusammenhält, ist noch immer die Kultur der humanen Werte. Und dieser falsche Nationalismus kann zu einem richtigen Krieg führen", sagte der Außenminister.

"Wenn in Schweden und in Deutschland der Deckel zugemacht wird, dann weiß ich nicht, was auf dem Balkan geschieht", sagte Asselborn weiter. "Ich glaube schon, dass es eine sehr, sehr kritische Situation ist, die wir jetzt haben."

Auch die 1985 im luxemburgischen Schengen vereinbarte Abschaffung der Grenzkontrollen, an denen sich mittlerweile 26 europäische Länder beteiligen, sieht Asselborn bedroht: "Wir haben vielleicht noch einige Monate Zeit." Die Gefahr sei ganz klar da, sagte er auf die Frage, ob das Schengen-System gefährdet sei, das auf gesicherten EU-Außengrenzen beruht. "Wenn wir keine europäische Lösung für diese Migrationskrise bekommen, wenn immer mehr Länder glauben, dass sie nur national an diese Sache herangehen können, dann ist Schengen tot." Wenn Schengen falle, falle auch "die größte Errungenschaft der Europäischen Union".

Entspannung bei den Flüchtlingsbewegungen in Richtung Europa ist indes nicht in Sicht: Nach dem Ende des Fährenstreiks in Griechenland müssen sich die Staaten entlang der sogenannten Westbalkanroute auf einen noch größeren Andrang von Flüchtlingen einstellen. Im Athener Hafen Piräus trafen allein am Sonntag deutlich mehr als 10.000 Menschen ein, die innerhalb der nächsten Tage weiterreisen werden. Außerdem setzen wegen des guten Wetters laut griechischen Medien täglich unzählige Schlauchboote von der Türkei zu den griechischen Inseln über. (APA, dpa, 9.11.2015)