Berlin – Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) erhält für seinen umstrittenen Vorstoß für einen eingeschränkten Schutz syrischer Flüchtlinge zunehmend Unterstützung aus der Union. CSU-Chef Horst Seehofer und Finanzminister Wolfgang Schäuble schlossen sich de Maiziere an und forderten, Syrern nur noch einen sogenannten subsidiären Schutz zu gewähren.

Das bedeutet, den Aufenthalt auf ein Jahr zu begrenzen und den Familiennachzug zu verbieten. Laut SPD-Chef Sigmar Gabriel kann seine Partei zu de Maizieres Vorstoß zunächst nichts sagen, weil das Thema bisher nicht besprochen worden sei. Der Flüchtlingsbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Peter Altmaier (CDU), erklärte am Sonntag, die Verfahren für Syrer würden weiter wie bisher behandelt.

Flüchtlingsstatus "genau prüfen"

"Thomas de Maiziere hat recht", sagte Seehofer der "Süddeutschen Zeitung" (Montag). "Wir müssen wieder nach dem Gesetz handeln und den Flüchtlingsstatus jedes Syrers genau prüfen." Schäuble wies am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" darauf hin, dass dies internationalem und europäischem Recht entspreche: "Wir müssen natürlich den Familiennachzug begrenzen, denn unsere Aufnahmekapazität ist ja nicht unbegrenzt", sagte er. "Ich halte das für eine notwendige Entscheidung und ich bin sehr dafür, dass wir sehr rasch uns darüber in der Koalition verständigen."

Am Montag sagte Schäuble bei in einer Veranstaltung mit Schülern in Berlin, im Bürgerkriegsland Syrien gebe es fünf Millionen Binnenflüchtlinge: "Wenn die alle nach Europa kommen wollten, anstatt dass man versucht, in Syrien die Probleme zu lösen, wird es nicht zu lösen sein." Die deutsche Bevölkerung habe in den vergangenen Monaten ein großartiges Maß an Hilfsbereitschaft gezeigt, sagte Schäuble. "Aber wir sollten auch immer wissen, dass jede Hilfsbereitschaft irgendwo an Grenzen stößt."

Gabriel lehnte dies im "Bericht aus Berlin" jedoch ab. Die SPD werde dazu jetzt nicht Ja sagen, weil das nie besprochen worden sei. "Im Gegenteil, es ist das Gegenteil besprochen worden. Und niemand kann von der SPD erwarten, dass wir so im 24-Stunden-Takt mal öffentlich zu irgendwelchen Vorschlägen Ja oder Nein sagen." Gabriel warnte davor, den Eindruck entstehen zu lassen, "dass wir, ein bisschen lax gesprochen, jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf treiben".

"Völlig korrekt"

Der deutsche Justizminister Heiko Maas (SPD) forderte in der ZDF-Sendung "Berlin direkt", "das, was man beschlossen hat, erst mal umzusetzen, bevor bereits die nächsten Vorschläge gemacht werden". Dagegen sagte der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Ansgar Heveling (CDU), der "Rheinischen Post" (Montag), der Sekundärschutz für Syrer bleibe sicherlich auf der Tagesordnung.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer vertrat in der "Passauer Neuen Presse" (Montag) die Auffassung, de Maizieres Position sei "völlig korrekt". "Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. In den Beschlüssen des Koalitionsgipfels ist die Aussetzung des Familiennachzuges für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz ein wesentlicher Punkt. Das war unstrittig zwischen den Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD." Dies müsse jetzt umgesetzt werden. "Sonst schaffen wir weitere Anreize", und der Flüchtlingszuzug werde sich weiter vergrößern, so Scheuer.

Unterstützung erhielt de Maiziere auch vom FDP-Vorsitzenden Christian Lindner. "Kriegsflüchtlinge sollten zunächst nur einen vorübergehenden Schutz erhalten", sagte dieser der Deutschen Presse-Agentur (dpa). "Dieser Schritt hätte auch eine hohe symbolische Wirkung, um die Sogwirkung nach Deutschland zu reduzieren."

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, nannte de Maizieres Vorstoß in der "Bild"-Zeitung (Montag) "keine dumme Idee". "Wir müssen den Familiennachzug begrenzen. Unsere Kapazitäten sind endlich."

Hunderttausende Plätze fehlen

Akut fehlen einer Studie zufolge in den deutschen Gemeinden allein in diesem Jahr Unterbringungsplätze für rund 370.000 Flüchtlinge. Die Kommunen rechnen damit, 2015 insgesamt knapp 870.000 Migranten aufzunehmen und allein zwischen Oktober und Dezember gut 380.000, wie aus einer am Montag veröffentlichten Umfrage der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young (EY) unter rund 300 größeren Gemeinden hervorgeht.

Derzeit stünden aber nur rund 500.000 Plätze zur Verfügung. Hauptsorge sei bei drei Viertel der Städte ein Mangel an geeigneten Räumen. Vielerorts werde vor allem improvisiert, sagte EY-Experte Hans-Peter Busson. "Eine mittel- oder gar langfristige Planung findet in den Kommunen noch kaum statt – schon allein deshalb, weil unklar ist, wie sich die Flüchtlingszahlen in den kommenden Monaten entwickeln werden." Beobachter gehen davon aus, dass 2015 weit mehr als die bisher vom Bund noch offiziell prognostizierten 800.000 Flüchtlinge ins Land kommen. Bis einschließlich Oktober waren es bereits knapp 760.000. Sollte also rund eine Million Menschen kommen, könnte der Mangel an Unterkünften noch größer sein.

Norwegen warnt Afghanen

Auch in Norwegen weist die Regierung Einreisewillige auf die strengen Asylregelungen hin. "Nicht jeder, der nach Norwegen kommt, hat das Recht auf Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention", heißt es auf einer am Wochenende freigeschalteten Webseite. "Asylanträge von Menschen, die bereits in anderen Ländern Aufenthaltsrecht haben, werden abgelehnt."

Die Regierung spricht vor allem Flüchtlinge aus Afghanistan an, die inzwischen die Hälfte aller einreisenden Migranten ausmachen. Viele haben zuvor in Russland gelebt. Sie wurden nun ausgewiesen oder kommen nach Norwegen, weil sie sich ein besseres Leben versprechen.

Ministerpräsidentin Erna Solberg stellte am Wochenende klar, dass diese Menschen keine Chance auf ein Bleiberecht haben. "Alleinreisende Männer aus Afghanistan werden direkt nach Kabul und nicht nach Russland geschickt", sagte sie der Zeitung "Verdens Gang".

Soforthilfe für Kroatien

Kroatien erhält indes zur Bewältigung der Flüchtlingskrise 16,43 Millionen Euro an Soforthilfe von der EU-Kommission. Mit den Mitteln sollen unter anderem Polizisten an der kroatisch-serbischen Grenze aufgestockt werden, dazu sollen die Bedingungen in Notunterkünften verbessert werden. EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos begrüßte die Entscheidung am Montag in Brüssel.

Damit werde deutlich, dass die EU jene Länder, die verstärkt von der Flüchtlingskrise betroffen sind, unterstützt. Seit Mitte September sind mehr als 330.000 Menschen aus Syrien, dem Irak und anderen Ländern durch Kroatien gereist. Rund 5.000 Flüchtlinge passieren derzeit täglich die Grenze zu Serbien. In Kroatien, dem jüngsten EU-Mitgliedsstaat, wollen nur wenige von ihnen bleiben. (APA, 9.11.2015)