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Lebte intensiv und mit der Bibel als Inspiration: Ernst Fuchs.

Foto: APA/Eggenberger

2013 in der Fuchs-Villa.

Foto: Heribert Corn

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Im März 2010 erhielt Ernst Fuchs das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien. Das Foto zeigt ihn beim Segen für seine Familie.

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Gemälde, vorgedruckt, um später übermalt zu werden (2010).

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2004 wurde Fuchs von Bundespräsident Thomas Klestil mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst erster Klasse ausgezeichnet.

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Wien – Seine Karriere begann mit einem Rauswurf. "Wenn sie das machen wollen, dann gehen sie doch lieber einen Stock höher zum Herrn Gütersloh", so soll Robin Christian Andersen seine jungen Studenten, neben Ernst Fuchs auch Arik Brauer, Anton Lehmden und Wolfgang Hutter, aus seiner Klasse komplimentiert haben.

Die schematisch-technische Dressur schlug Fuchs in die Flucht. Womöglich weil er sich, 1930 als einziges Kind eines Altwarenhändlers in Wien geboren, schon früh als Zeichner hervorgetan hatte. Bereits vor seinem Studium an der Akademie der bildenden Künste (1946–1950) hatte er sich an expressiven, gotischen Christusdarstellungen und den Menschenbildern der Renaissance geschult, sich den akkuraten Strich der Alten Meister angeeignet. Ein schicksalhafter Rausschmiss, denn Albert Paris Güterslohs legendäres Turm-Atelier – und freilich auch der Wiener Art Club – gelten als Keimzelle der Wiener Schule des Phantastischen Realismus und Fuchs als ihr Hauptvertreter.

Zeichnerische Akribie

Früh war man von dessen zeichnerischer Akribie begeistert (1949 hatte er seine erste Soloschau in Paris, wo er bis 1962 auch lebte). Fuchs verknüpfte Zitate aus dem christlichen Formen- und Motivrepertoire mit dem Kreaturenhaften von Brueghel und Bosch. Der Gekreuzigte als Skelett mit Bischofsmütze in einer wimmelbildartigen Komposition, flankiert von einer an eine Venus von Botticelli erinnernden Barbusigen, rundherum Soldaten, Affen, tierische Fratzen: "Schädelstätte" lautet der Titel dieser Zeichnung von 1950. Auch den Horror vacui erbte Fuchs von den Ahnen, wollte wie sie das Bild von Rand zu Rand füllen. Die Kraft der Leerstellen ist in der westlichen Kunstgeschichte eine moderne Errungenschaft.

Dem Verweben von christlichen Erzählungen mit jüdischer Symbolik, die er mystisch-spirituell mit Motiven wie Einhorn, Ei, Sonne, Wasser, Mond, Drachen oder Schlangen würzte, blieb Fuchs sein Leben lang treu. Mit dem kommerziellen Erfolg ab den 1960er-Jahren wich die Feinmalerei allerdings allmählich schnelleren Strichen. Auch schien alles mehr und mehr in esoterische Knall- und Regenbogenfarben getaucht und mit immer schwülstigerer Vollbusigkeit durchsetzt.

Das Urbild sichtbar machen

Verzuckert, sich selbst wiederholend, anachronistisch, kunstgewerblich, so die Kritik der sich irgendwann desinteressiert abwendenden Kunstwelt. Das größere Interesse galt seinem früheren Werk; so konzentrierte sich auch das Belvedere 2008 auf die ersten 20 Jahre der Phantastischen Realisten. Laut Kunsthistoriker Wieland Schmied, stets größter Fürsprecher der Gruppe, verstanden sie es, "das Schreckliche (des Surrealismus, Anm.) mit dem Gemütlichen (des Österreichischen, Anm.) zu verbinden". Über Fuchs schrieb er einmal, er habe gar keine neuen Themen erfinden wollen, sondern ähnlich wie die Mönche in byzantinischen Ikonen "möglichst getreu das einmal erschienene überlieferte Bild des Heiligen wiedergeben, damit das Urbild aufs Neue sichtbar werde".

Fuchs intensive Auseinandersetzung mit der Bibel, seiner zentralen Inspirationsquelle, begründet sich auch biografisch: Um ihn vor den Anfeindungen der Nationalsozialisten zu schützen, ließen die Eltern (der Vater war jüdischer Herkunft) den Zwölfjährigen taufen.

Fuchs, der auch als Architekt, Bühnenbildner, Autor und Interpret mystisch inspirierter Musik von sich reden machte und in der von Otto Wagner erbauten Villa in Wien Hütteldorf ein eigenes Museum unterhielt, wo er auch lebte, war dreimal verheiratet und Vater von sechzehn Kindern. Seine Muse Uta Saabel wollte er noch dieses Jahr heiraten, es war ihm nicht mehr vergönnt.

Am Montag starb Ernst Fuchs 85-jährig in Wien. (Anne Katrin Feßler, 9.11.2015)