Wien/Linz – Weil er sich nach dem Ende einer Kundgebung gegen Burschenschafter von einer Amtshandlung losreißen wollte, ist am Montag ein Student aus Linz im Wiener Straflandesgericht verurteilt worden. Der 23-Jährige sei "sicher kein gewalttätiger Mann", habe mit seinem Verhalten aber einen Widerstand gegen den Staatsgewalt gesetzt und eine fahrlässige Körperverletzung begangen, stellte der Richter fest.
Der Angeklagte hatte am 4. Juni 2014 in der Bundeshauptstadt an einer Kundgebung gegen Burschenschafter teilgenommen. Als er nach deren Abschluss heimfahren wollte, bemerkte er in der U-Bahn-Station Schottentor ein Großaufgebot der Polizei, das einen Demonstranten festnehmen wollte. Der 23-Jährige mischte sich in die Amtshandlung ein, "weil mir die Person leidgetan hat", wie er nun im Grauen Haus darlegte. Was er zum damaligen Zeitpunkt nicht wusste: Der ihm unbekannte Mann war von Polizeibeamten wieder erkannt worden, dieser hatte rund ein halbes Jahr zuvor bei der Anti-Akademikerball-Demo mit einer Fahnenstange auf eine junge Polizistin eingeschlagen.
Er habe die vor seinen Augen stattfindende Amtshandlung "unverhältnismäßig gefunden", machte der Student geltend. Im Nachhinein betrachtet "war es ein Fehler, mich in die Amtshandlung einzumischen, aber es war nie das Ziel, einen Polizisten zu schädigen", erklärte er.
Wega-Beamter bleibt teilinvalide
Weil der 23-Jährige die Amtshandlung beharrlich behindert hatte, sollte er schließlich festgenommen werden. Ein 45-Jähriger Beamter packte den jungen Mann an der Schulter und versuchte, ihn in seine Richtung zu drehen, um die Festnahme vollziehen zu können. Der Student wollte sich losreißen. Er ging in die Knie und soll "ruckartig angezogen" haben, wie der Beamte als Zeuge zu Protokoll gab.
Das genügte offenbar, um den Wega-Beamten außer Gefecht zu setzen. Der Mann erlitt einen Sehnenriss im linken Bizeps und ist seither zu 20 Prozent Teilinvalide. Verteidiger Günther Schmid betonte in der Verhandlung, sein Mandant sei dafür nicht verantwortlich zu machen. Schmid ging von einer "Vorschädigung" aus, der Polizist müsse bereits "Verschleißerscheinungen" gehabt haben, ansonsten hätte die Sehne nicht reißen können.
Den Richter überzeugte diese Argumentation nicht, nachdem ein gerichtsmedizinisches Gutachten zum Schluss kam, dass der Sehnenriss auf jeden Fall Folge einer mechanischen Belastung war. Nach herrschender Judikatur sei "keine besondere Intensität" erforderlich, um den Tatbestand des Widerstands gegen die Staatsgewalt zu erfüllen, stellte der Verhandlungsleiter klar. "Mehrmaliges Losreißen" reiche bereits für einen Schuldspruch aus. Der 23-Jährige bekam dafür und für die damit einhergegangene Körperverletzung eine Geldstrafe von 720 Euro aufgebrummt, wobei die Hälfte unbedingt ausgesprochen wurde.
Wesentlich gravierender dürften den Studenten die zivilrechtlichen Folgen treffen. Der 23-Jährige muss dem Beamten, der sich als Privatbeteiligter dem Strafverfahren angeschlossen hatte, den Verdienstentgang und die Behandlungskosten ersetzen sowie Schmerzengeld bezahlen. Bei sonstiger Exekution hat er ihm laut Urteil binnen 14 Tagen 14.832 Euro zu überweisen. Verteidiger Schmid erbat Bedenkzeit, die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab. Das Urteil ist daher nicht rechtskräftig. (APA, 9.11.2015)