Sie haben in den vergangenen Jahren alles versucht. Immer neue Sparprogramme, immer neue Geschäftsinitiativen – doch ein nachhaltiger Aufwärtstrend wollte sich bei Wincor Nixdorf einfach nicht einstellen. Seit Jahren kämpft das Paderborner Unternehmen mit einer schwachen Nachfrage vor allem nach Geldautomaten.

Banken halten sich mit Investitionen zurück. Auch aus dem Einzelhandel fehlen Impulse. Das führt zu einem andauernden Preisverfall. Jetzt spricht viel dafür, dass das Wincor-Management den alleinigen Kampf aufgibt und sich in die Arme des größeren US-Konkurrenten Diebold flüchtet.

Angebot über 1,7 Mrd. Euro

Beide Seiten verhandeln intensiv. Die Amerikaner – Nummer zwei der Branche – wollen rund 1,7 Mrd. Euro für Wincor, die Nummer drei, zahlen, das entspricht 52,50 Euro pro Aktie. Ein entsprechendes Eckpunktepapier gaben die Unternehmen Mitte Oktober bekannt. Das Geschäft ist aber noch lange nicht unter Dach und Fach. Analysten betonen, dass die Vereinbarung bisher noch recht unverbindlich daher kommt. Vor allem müssen die Amerikaner noch die Bücher der Ostwestfalen genau prüfen. Anleger sind vorsichtig. Wincor-Aktien notierten am Montag unter 46 Euro und waren damit noch ein gutes Stück vom Kaufangebot entfernt.

Wincor-Chef Eckard Heidloff versuchte bei der Bilanz-Pressekonferenz am Montag in Düsseldorf, trotz schlechter Zahlen im abgelaufenen Jahr betont Selbstbewusstsein zu zeigen. Die Verhandlungen liefen auf Augenhöhe, von einer unfreundlichen Übernahme könne keine Rede sein, sagte er. Sein Unternehmen habe sich wieder in eine deutlich besseren Verhandlungsposition gebracht. Der im vergangenen Jahr eingeleitete Konzernumbau gebe dem Unternehmen eine neue Perspektive: "Wir können es auch allein."

"Die Frage ist: Gehen wir allein oder zusammen den besseren Weg."

Der ganze Markt, nicht nur Wincor, müsse auf die zunehmende Digitalisierung des Bankensystems reagieren. "Die Frage ist: Gehen wir allein oder zusammen den besseren Weg." Das hänge von den Verhandlungen ab, die weiter liefen – und auch vom Preis. Jedenfalls könne es nicht nur um Kosteneinsparungen gehen, Diebold müsse auch Wachstumsperspektiven aufzeigen.

Die Übernahme würde der Geschichte des Nixdorf-Unternehmens ein neues Kapitel hinzufügen. Die Wurzeln liegen im Jahr 1952, als der Computer-Pionier Heinz Nixdorf im Alter 27 Jahren den Grundstein legte. Er baute seine Firma mit ihren "Elektronenrechnern" bis in die 1980er Jahre zum viertgrößten Computerhersteller Europas aus. Doch dann verkannte Nixdorf in den 1980er Jahren den Trend zum PC für jedermann.

1990 übernahm der Siemens-Konzern das Unternehmen

Mitten in dieser Umbruchphase starb der Unternehmensgründer – er brach 1986 beim Tanzen auf der ersten Computermesse Cebit in Hannover mit einem Herzinfarkt zusammen. Damit zeichnete sich auch das Ende der ersten Eigenständigkeit der Firma ab. 1990 übernahm der Siemens-Konzern das Unternehmen – die Siemens Nixdorf Informationssysteme AG entstand. Sie war der größte Anbieter von Computer- und Softwarelösungen in Europa, zu ihr gehörten auch Geldautomaten und Kassensysteme.

Diesen Bereich gliederte Siemens 1998 in eine eigene Sparte aus und verkaufte sie ein Jahr später für 1,4 Mrd. D-Mark (716 Mio. Euro) an die US-Finanzinvestoren KKR und Goldman Sachs. Damit war das Unternehmen wieder eigenständig. Die Investoren führten den Namen Wincor Nixdorf ein und brachten das Unternehmen 2004 an die Börse. Dort ging es bis zur Finanzkrise 2007/08 fast nur aufwärts. Seitdem aber ist das Papier von alten Höchstständen weit entfernt. Immer wieder hatte der Vorstand in den vergangenen Jahren Nachholbedarf gerade bei den Banken beschworen. Doch bis jetzt wartete das Unternehmen vergeblich. Nun zerschlägt sich auch noch die Hoffnung auf die Schwellenländer. Vor allem China mit einem preisaggressiven Wettbewerb lokaler Anbieter nannte Vorstandschef Heidloff "unser größtes Sorgenkind".

Befreiungsschlag

Vor diesem Hintergrund könnte der Zusammenschluss mit Diebold der Befreiungsschlag sein. Dabei betont Wincor, dass das Angebot von den Amerikanern ausgegangen sei und man auch aus eigener Kraft das Ruder herumreißen könne. Den Plan dafür liefert das aktuelle Umbauprogramm mit dem Abbau von 1.100 der noch 9.100 Stellen, Partnersuche in Schwellenländer und dem Ausbau von Software und Dienstleistung statt des lahmenden Gerätegeschäftes. (APA, 9.11. 2015)