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Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder war zu Gast bei den Energiegesprächen der OMV in Wien.

Foto: apa / neubauer

Wien – "Frau Merkel hatte Herz, aber keinen Plan": So kommentiert der deutsche Ex-Kanzler Gerhard Schröder die Entscheidung von Regierungschefin Angela Merkel, die Grenzen für syrische Flüchtlinge zu öffnen. Die Entscheidung sei richtig gewesen, "das war ein Akt der Humanität", sagte Schröder am Montag in Wien.

Allerdings sei die Situation vorhersehbar gewesen. "Darauf nicht rechtzeitig angemessen reagiert zu haben ist ein ernster Fehler der europäischen und auch der deutschen Politik." Die Lösung des Problems liege aber nicht an der österreichisch-deutschen Grenze, wo die Behörden und Helfer auf beiden Seiten gut zusammenarbeiten würden, "auch wenn manche Töne aus der bayrischen Staatsregierung etwas schrill sind".

Keine offene Tür, aber auch keine Abschottung

Es sei eine gesamteuropäische Lösung notwendig – eine "Politik der Abschottung wird ebenso wenig funktionieren wie eine Politik einfach nur der offenen Tür". Die Aufnahmekapazitäten seien begrenzt, so Schröder, "also brauchen wir eine Lösung, die den Strom der Flüchtlinge kontrolliert, ja, und auch begrenzt". Eine Möglichkeit wären laut Schröder Kontingente für Flüchtlinge, die in die EU einreisen dürfen. Eine solche Kontingentlösung habe Deutschland in den 1980er-Jahren schon für vietnamesische Bootsflüchtlinge umgesetzt.

Die osteuropäischen Länder könnte man mit finanziellem Druck dazu bringen, einen Teil der Last zu übernehmen, schlägt Schröder vor. "Mein Rat wäre, den Ländern, die sich weigern, das sind ja insbesondere die osteuropäischen, auch zu sagen: Wir kommen darauf zurück bei den nächsten Finanzverhandlungen."

Perspektive für Türkei

Die EU-Außengrenze müsste laut Schröder in erster Linie an der türkisch-griechischen Grenze geschützt werden, in enger Zusammenarbeit mit der Türkei. Im Gegenzug müsse man der Türkei "eine echte Beitrittsperspektive" bieten.

Eine Kurskorrektur fordert Schröder auch in der EU-Politik gegenüber Russland, die derzeit sehr stark von den USA beeinflusst werde. "Es gibt durchaus einen Interessenunterschied in dieser Frage zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und etwa der Europäischen Union."

Schröder wünscht sich einen schrittweisen Abbau der Sanktionen gegen Russland. "Diese Sanktionen verfehlen ihr politisches Ziel, und sie schädigen die Wirtschaftsbeziehungen massiv." Während der Außenhandel der USA mit Russland wachse, sei jener der EU mit Russland um rund 30 Prozent eingebrochen. (APA, 9.11.2015)