Der Integrationsexperte Demetrios Papademetriou bezeichnete die Flüchtlingssituation in Europa bei einer Konferenz von Regierungsvertretern in Wien als "chaotisch". Wir "müssen die Initiative wiedererlangen", sagte der Mitbegründer des Washingtoner Thinktanks Migration Policy Institute bei der Konferenz, an der zwölf für Integration zuständige Minister teilnahmen.

Von einer chaotischen Situation müsse man zu "einer Situation, die besser organisiert ist", kommen. Papademetriou sprach sich für eine gemeinsame EU-Antwort aus, ließ aber in Sachen Integration keinen Zweifel daran: "Jedes EU-Land wird allein gelassen sein."

Die Schlüsselwörter bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise und Integration seien "Flexibilität" und "Anpassungsfähigkeit". Auf der Konferenz wurden laut dem Experten auch "die außerordentlichen Kosten" diskutiert, über die es ebenso keinen Zweifel gebe.

Kurz: Schengen gefährdet

Außenminister Kurz betonte, dass eine Lösung des Syrien-Kriegs nicht auch eine gänzliche Lösung der Flüchtlingskrise bedeuten würde. Dies wäre "naiv", denn nur 20 bis 25 Prozent der Flüchtlinge, die derzeit nach Europa kämen, stammten ursprünglich aus dem Bürgerkriegsland.

Kurz sieht zwar kein drohendes Ende der EU angesichts der Flüchtlingskrise wie sein luxemburgischer Kollege Jean Asselborn, große Fortschritte bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise auf EU-Ebene erkennt er aber auch nicht – und das Schengensystem mit seiner Reise- und Niederlassungsfreiheit sei "gefährdet". Kurz betonte: "Die Basis eines Europas ohne Grenzen nach innen sind funktionierende Außengrenzen." Die türkisch-griechische Grenze funktioniere jedenfalls nicht.

Deutschland für fairere Verteilung

Auch die für Integration zuständige deutsche Staatsministerin Aydan Özoguz mahnte eine gemeinsame Lösung ein. Die "eigentliche Herausforderung" sei es, die Flüchtlingskrise zu bewältigen, ohne EU-Errungenschaften aufzugeben. Auch sie sprach die ungleiche Verteilung von Flüchtlingen in Europa an und sieht die Frage, wie man zu einer faireren Verteilung kommt, im Mittelpunkt.

Kurz betonte einerseits in Sachen Lösung der Flüchtlingskrise die Reduzierung des Zustroms. Hier hofft er auf eine gesamteuropäische Lösung. Andererseits die Integration: "Wir können das schaffen." Deutschland, Österreich und Schweden seien mit dem Flüchtlingszustrom "zahlenmäßig überfordert", Ängste in diesen Bevölkerungen seien daher nicht bloß geschürt, eine Verunsicherung sei "natürlich". "Es ist absolut notwendig, dass wir den Zustrom an Menschen reduzieren", erklärte der Außenminister.

An der Konferenz nehmen Regierungsvertreter aus Deutschland, Tschechien, Griechenland, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Schweden, Portugal und Estland teil sowie Vertreter aus Nicht-EU-, aber Schengen-Staaten Schweiz und Norwegen sowie aus den USA. (APA, 9.11.2015)