Göttingen – Knapp ein Jahr nach der historischen Landung des Minilabors Philae auf dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko ("Tschuri") bleiben nach Einschätzung von Wissenschaftern nur noch wenige Monate, um erneut Kontakt mit der verstummten Landesonde aufzunehmen. "Viel Zeit haben wir dafür nicht", erläuterte der wissenschaftliche Leiter der "Rosetta"-Landemission, Hermann Böhnhardt, in Göttingen.

"Ab Februar wird sich der Komet bereits wieder so weit von der Sonne entfernt haben, dass Philae einfrieren könnte", fügte der Wissenschafter des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) hinzu. Das Modul der europäischen Kometensonde "Rosetta" hatte am 12. November 2014 eine holprige Landung auf "Tschuri" hingelegt. Nach mehreren Hüpfern setzte Philae an einer schattigen Stelle abseits des ursprünglich geplanten Landeplatzes auf. Nach nur 60 Stunden wissenschaftlicher Arbeit fiel das Minilabor wegen Energiemangels in einen siebenmonatigen Kälteschlaf.

Erfolg trotz Rückschlägen

Erst am 13. Juni meldete sich der Lander wieder – um nach der bisher letzten Kontaktaufnahme am 9. Juli erneut zu verstummen. Allerdings soll sich die Sonde, die den Kometen zuletzt in einer Entfernung von 300 Kilometern umkreiste, nun dessen Oberfläche wieder annähern. Die Forscher hoffen, dass Rosetta dann wieder Signale von Philae empfangen kann. "Ich schätze, dass Rosetta wieder auf einen Abstand von mindestens 200 Kilometern heranfliegen muss, um Philae zu hören", sagte Böhnhardt.

Der MPS-Forscher wertete die Landung von Philae als Erfolg. "Es ist uns gelungen, die erste Landeeinheit auf einem Kometenkern abzusetzen." Erstmals hätten Wissenschafter direkte Messdaten von einer Kometenoberfläche erhalten und ausgewertet. "Die Daten haben schon jetzt unser Verständnis von Kometen verändert und verfeinert."

Gleichzeitig müsse man zugeben, "dass längst nicht alles nach Plan gelaufen ist", bilanzierte der Forscher. "Und damit meine ich nicht nur das unerwartete Hüpfen der Landeeinheit. Auch aus wissenschaftlicher Sicht können wir nicht ganz zufrieden sein."

So hätten nicht alle Messungen erfolgreich vorgenommen werden können, die für die ersten 60 Stunden geplant gewesen seien. "Das lag hauptsächlich daran, dass wir Schwierigkeiten hatten, in dieser kurzen Zeit den unerwarteten Standort und die Lage des Landers richtig einzuschätzen", so Böhnhardt.

Gescheiterte Bohrung

Es sei beispielsweise nicht gelungen, eine Bodenprobe zu nehmen und zu untersuchen. Der dafür vorgesehene Bohrer habe zwar gebohrt. "Weil der Lander gekippt steht, hat er aber wahrscheinlich den Boden nicht erreicht. Das wussten wir zu diesem Zeitpunkt nicht", sagte der Wissenschafter. "Hätten wir den Körper der Landeeinheit vorher gedreht, sähe das Ergebnis vielleicht anders aus."

Die Mission Rosetta der Europäischen Weltraumagentur ESA soll noch bis Ende 2016 fortgesetzt werden. Am 13. August hatte "Tschuri", begleitet von Rosetta und Philae, den sonnennächsten Punkt seiner Umlaufbahn erreicht. Seither entfernt sich der Komet wieder von der Sonne. (APA, red, 9.11.2015)