Pädagogisch stehen die Schulautonomie und ihre konkrete Ausgestaltung im Zentrum der geplanten Bildungsreform, politisch geht es aber auch um die künftige Steuerbarkeit des gesamten Schulsystems.

Foto: Matthias Cremer

Wien – 17. 11. 470. 18,9. 1. 9. Neues Lotto? Dreistellige Zahlen? Mit Komma auch noch? Nein. Nur die Kugeln aus dem aktuellen Politlotto. Die letzten Tage vor dem geplanten Abgabetermin für die Bildungsreform am 17. November mutieren zu einer nationalen Rechenstunde. Große Zahlen hier, die drohende Verteuerungen anzeigen und gegen die "Verländerung" der Lehrerwaltung mobilmachen sollen, weil diese Mehrkosten in Höhe von 470 Millionen Euro verursachen würde, wie die SPÖ vorgerechnet hat.

Oder kleine dort, mit einem Minus vorn, was bedeuten soll, dass es dann billiger würde, weil die Zuständigkeit der Länder für die Lehrerinnen und Lehrer gegenüber dem jetzigen Verwaltungsnetzwerk um 18,9 Millionen Euro weniger kosten würde, was dem Wunsch der ÖVP zupasskäme.

Einer oder alle neune?

Unterm Strich lässt sich die größte Streitfrage also auf die Kennzahlen 1 für zentrale Verwaltung durch den Bund oder 9 für die Übertragung aller Lehrer in Länderhände zusammenfassen.

Fragt man Schulentwicklungsexperten wie den Vizerektor der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich, Josef Oberneder, ist die Antwort klar: "Ich bin total gegen eine Verländerung der Lehrerverwaltung. Damit droht wirklich die Gefahr einer Provinzialisierung. Und neun Bildungssysteme in einem so kleinen Land wie Österreich – das kann man vergessen." Aber: "Es ist letztlich eine politische Entscheidung."

Bildung als kollektives Gut

Im STANDARD-Gespräch argumentiert Oberneder für unmittelbare Bundesverwaltung nicht mit Geldziffern, die auch für Systeminsider kaum nachvollziehbar sind, sondern bildungspolitisch und pädagogisch: "Wenn man schulreformmäßig denkt, muss der Bund Bildung als kollektives Gut sicherstellen. Das heißt: Qualitätssicherung muss zentral organisiert und garantiert werden."

Das bedeutet dann, dass die "geplante, inhaltlich komplett richtige Autonomie kommen muss, aber begleitende Maßnahmen braucht, damit das Bildungssystem zusammengehalten wird." Das heißt: Es reiche nicht, zu sagen, gut, die Direktorinnen und Direktoren sollen sich ihre Lehrerinnen und Lehrer selbst aussuchen dürfen, warnt Oberneder: "Dazu gehören dann Begleitmaßnahmen, etwa dass sie Wissen über professionelles Personalrecruitung haben müssen."

"Kein Denkfehler" beim Rechnen

Pro "Verbundlichung" positionierte sich am Montag auch der Bildungssprecher der Grünen, Harald Walser. Er kann in dem vom Bildungsministerium errechneten 470-Millionen-Euro-"Länderaufschlag" für den Fall einer Verländerung der Lehrerverwaltung "keinen Denkfehler" erkennen.

Auch der bei Walsers Pressekonferenz anwesende Bildungsexperte Lorenz Lassnigg vom Institut für Höhere Studien (IHS) vermisst in der von Beamten der Salzburger Landesregierung für den ÖVP-Verhandler Landeshauptmann Wilfried Haslauer errechneten Verbilligung durch Verländerung einen nachvollziehbaren Beweis. Aber darin zeige sich auch eines der Grundprobleme der Schulverwaltung in Österreich, kritisierte Lassnigg. Das System sei "finanziell intransparent".

Etwa die Hälfte des Schulbudgets des Bildungsministeriums werde über die Länder ausgeschüttet, ohne dass der Bund genau wisse, was damit geschehe. Nachteilig dazu kämen die vielen Verwaltungsebenen im System.

Wenn der Bund für das Land

Eine Bundesländerverwaltung wäre aber nicht nur teurer, sondern auch qualitätsmindernd, verwies Lassnigg auf einen auf die flächendeckende Erhebung der Bildungsstandards gestützten Trend zu schlechteren Schülerleistungen in jenen fünf Bundesländern (Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Steiermark, Kärnten), in denen derzeit die Länder die Pflichtschullehrer selbst verwalten.

Hingegen haben Wien, Ober- und Niederösterreich sowie das Burgenland die Verwaltung der Lehrer, also die Diensthoheit, an den Bund – in Form des Landesschulrats, der formal eine Bundesbehörde ist – übertragen. Hier übernimmt also der Bund mittelbare Landesverwaltung. (Lisa Nimmervoll, 10.11.2015)