Sie kommen aus dem Nichts, niemand weiß wirklich, wofür sie stehen, aber sie porträtieren sich als "unbefleckt", als die Alternative zu jenen, die im System korrumpiert wurden. Sie sagen, sie würden einer anderen Logik folgen als jene, die über öffentliche Aufträge sich selbst in die Tasche wirtschaften. Die neuen Protestparteien sind in Mitteleuropa zunehmend beliebt.

In Tschechien wurde der Unternehmer Andrej Babiš Vizepremier, und in Slowenien wurde der Rechtsprofessor Miro Cerar aus dem Stand heraus mit einer neuen Partei zum Premier gewählt. Der Wahlerfolg der kroatischen, noch ziemlich losen Parteiformation Most, setzt diesen Trend fort. Die Bürger wollen weniger Ideologie und präferieren soziale und wirtschaftliche Themen. Beide großen Parteien – die Sozialdemokraten (SDP) und die konservative HDZ haben an Stimmen verloren. Polarisierung ist offensichtlich nicht mehr so populär.

Die bisher regierende SDP hat nun den Newcomern sogar indirekt den Premiersposten angetragen. Dieses Angebot ist seitens der HDZ kaum zu toppen. Insofern sieht es gerade danach aus, dass Premier Zoran Milanović in Sachen Regierungsbildung einen Schritt voraus ist. Most wurde vor der Wahl ein gutes Ergebnis prognostiziert, dass die Partei aber unentbehrlich wird, hat keiner vorausgesagt. Die Kroaten zeigen sich damit in ihrem Wahlverhalten beweglicher als zuvor, und sie zeigen, dass sie mit der Beschwörung des Heimatkriegs oder anderen ideologischen Themen nicht mehr so leicht zu überzeugen sind.

Die neuen Protestparteien siegen nicht wegen charismatischer Politstars. Was sie eint, ist eine fundamentale Ablehnung der politischen Eliten und der korrupten Praktiken inklusive der Unart, überall – meist inkompetente – Parteigänger in die Verwaltung zu setzen. Gefragt ist nach Jahren des ökonomischen Niedergangs offenbar Bescheidenheit. Vor allem junge Leute wählten Most – eine neue Generation zeigt damit auch ihren Eltern, die in den Kriegsjahren geprägt wurden, die kalte Schulter.

Insofern ist das Wahlergebnis in Kroatien positiv. Das Ergebnis zeigt vor allem, wie sehr das Land unter der ökonomischen Krise in den vergangenen Jahren gelitten hat, und dass Reformvorschläge weder von der SDP noch von der HDZ geliefert wurden. Most will hingegen Verwaltungen effizienter machen und einsparen. Auf lokaler Ebene in Dalmatien hat man das bereits vorgezeigt. Außerdem setzt man auf Bankenkritik.

Der frühere Dekan der Wirtschaftsuniversität Zagreb, Ivan Lovrinović, will etwa die kroatische Kuna vom Euro entkoppeln, um mehr wirtschaftspolitische Instrumente zu bekommen. Gepunktet hat Most sicherlich auch bei jenen, die in den vergangenen Jahren immer höhere Zinsen für die Frankenkredite zahlen müssen. Wenn eine Mitte-links-Koalition mit SDP und Most zustande kommen sollte, wird sicher auf diese Klientel geachtet, was den österreichischen Banken nicht besonders gefallen dürfte.

Falls Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović ihrer Partei HDZ das Mandat zur Regierungsbildung erteilt, hat Parteichef Tomislav Karamarko 30 Tage Zeit, um ein Kabinett zusammenzustellen. Momentan sieht es danach aus, dass es ihn viel kosten wird, eine Mehrheit zu finden. Der Präsidentin wird es aber wohl schwerfallen, das Mandat Milanović zu übergeben. Die beiden können sich – gelinde gesagt – nicht ausstehen. (Adelheid Wölfl, 10.11.2015)