Wenn Peter Copping zum Private Dinner im kleinen Kreis im Londoner Restaurant 34 in Mayfair erscheint, dann muss der Blick schon eine ganze Weile schweifen, bis klar ist: Das ist er! Eher unscheinbarer Aufzug, korrekter Handschlag und ein paar höflich gewechselte Worte zum Smalltalk. Unnahbar oder gar divenhaft geht anders. Die Location passt zum Mann: Gerade sehr populär – Supermodel Kate Moss feierte hier ihren Vierziger – und exklusiv – mit Eichenpaneelen an den Wänden und zinnoberroten Ledersesseln -, aber ziemlich unaufgeregt, auf elegante Weise.
Peter Copping, der Mann ohne Wikipedia-Eintrag, ist seit etwas mehr als einem Jahr der neue Kreativdirektor des Modehauses Oscar de la Renta. Der britische Designer, der seine gesamte Karriere in Paris verbrachte, hat vergangenen Oktober ein gewichtiges Erbe angetreten und den Kontinent gewechselt. Nur wenige Tage, nachdem der 82-jährige Modeschöpfer Oscar de la Renta ihn offiziell zu seinem Nachfolger ernannt hatte, verlor er den Kampf gegen den Krebs. Aus dem Plan, dass die beiden einige Saisonen Seite an Seite arbeiten, wurde nichts. Copping sprang ins kalte Wasser und brachte im Februar binnen kürzester Zeit seine Debütkollektion für das Haus auf den Laufsteg. Alle Augen waren auf den 48-Jährigen gerichtet, jene der Modewelt und jene des trauernden Hauses, eines durch und durch traditionsreichen Familienunternehmens (CEO Alex Bolen ist der Ehemann von Oscars Stieftochter Eliza).
Prinzessinnenmacher
Oscar de la Renta galt als einer der einflussreichsten Modedesigner der vergangenen Jahrzehnte, vor allem in den USA war er ein Superstar, galt sein üppig-dramatischer Stil doch als eine der letzten Bastionen der Haute Couture in Amerika. Er hatte fast schon staatstragende Bedeutung, war mit seinem Ostküstenchic das Liebkind der amerikanischen Oberschicht und des Geldadels, seine Kreationen waren das aufputzende Beiwerk vieler bedeutender weltpolitischer und gesellschaftlicher Anlässe. Die Trägerinnen seiner Modelle pflegte er persönlich zu treffen. Bekannt war der aus der Dominikanischen Republik stammende Designer für seine elaborierten, prunkvollen Abend- und Prinzessinnenroben aus Taft und Seide für den roten Teppich – der Stoff, aus dem viele Kleinmädchenträume sind -, aber auch für äußerst elegante, tragbare Alltagsmode und Brautkleider. "Ich weiß nicht wirklich, wie man Freizeitkleidung macht," soll er einmal gesagt haben.
Die Präsidentengattinnen Jackie Kennedy, Nancy Reagan, Laura Bush und Hillary Clinton und Filmstars wie Emma Watson oder Penélope Cruz – sie alle hat er eingekleidet. Sarah Jessica Parker trug als Carrie Bradshaw in "Sex and the City" gerne Kleider des Labels, was es noch populärer machte. Erst kurz vor seinem Tod hatte der Modemacher mit dem opulenten, mit Spitzen und Perlen gearbeiteten Brautkleid von Amal Clooney Schlagzeilen gemacht. Die Bilder des Kleides mit schulterfreiem Carmen-Ausschnitt und fulminanter Schleppe gingen um die Welt.
Selbst Michelle Obama, die den Designer bei Amtsantritt ihres Mannes gar nicht kannte und damals mit dem Kleidungsstil ihrer Vorgängerinnen zu brechen schien, hat mittlerweile ein Modell von ihm auf einer Cocktailparty im Weißen Haus getragen. Der Designer hatte die bekennende "Ich bin nicht Oscar de la Renta Fan"-First-Lady zuvor dafür kritisiert, amerikanische Mode nicht zu unterstützen. Er selbst war mehr begeisterte Bewunderung als Kritik gewohnt, obwohl er selbst manchmal ganz gerne austeilte. Die ehemalige Modekritikerin der "New York Times", Cathy Horyn, erdreistete sich, ihn einmal provokant als einen "Hot Dog of American Fashion" zu beschreiben, woraufhin er sie in einem offenen, vom Branchenblatt "WWD" (Women's Wear Daily) veröffentlichten Brief einen "abgestandenen, drei Tage alten Hamburger" nannte.
Dass ausgerechnet Peter Copping das Erbe des auch in Zahlen erfolgreichen, laut "New York Times" zuletzt 150 Millionen Dollar Umsatz starken Modehauses antrat, wundert nicht: Den nötigen femininen Stil feilte er in den vorangegangenen fünf Jahren als künstlerischer Leiter bei Nina Ricci aus. Zuvor hatte er zwölf Jahre als rechte Hand von Designer Marc Jacobs bei Louis Vuitton gearbeitet, seine jungen Jahre verbrachte er bei Christian Lacroix und Sonia Rykiel.
Die Auffassungen von de la Renta und Copping davon, was einer Frau steht, klaffen nicht allzu weit auseinander. Den zu exzessiven textilen und dekorativen Ausschweifungen tendierenden Stil seines Vorgängers versucht Peter Copping nun jedoch respektvoll, wenn auch nicht allzu zurückhaltend zu reduzieren: "Ich muss die Dinge am Laufen halten, aber es ist auch eine Herausforderung, das Label für neue, jüngere Kundinnen attraktiv zu machen. Die Leute verbinden es oft mit Mode für ältere Frauen, das will ich nicht." Wie das gelingen soll? Material wegnehmen, die Kleider leichter machen, am Material, den Lagen und den Schnittkanten tüfteln", meint der Brite. "Kleider sollen eben nicht die Frau tragen, sondern umgekehrt." Dasselbe gelte für Schmuck: "Eine Frau soll nicht wie ein Christbaum aussehen."
Alte und neue Garde
Dass die Klientel sowohl für Traditionelles als auch Neues vorhanden ist, bewiesen Sängerin Taylor Swift und die ehemalige Präsidentengattin Nancy Kissinger, die bei der Präsentation der aktuellen Herbst/Winter-Kollektion beide in der ersten Reihe saßen. Sie bewunderten zwar klassische, mit Tüll und Organza gespickte, aber um einiges leichtfüßigere Modelle als gewohnt.
Neue Territorien für Copping sind die Drucke und Farben, die für das Haus sehr wichtig sind. Dass er auch in dieser Disziplin gute Figur macht, demonstrierte er mit der Ready-to-wear-Frühjahr/Sommer-Kollektion 2016: Eine Menge Nelkenprints und viel sattes Rot und Gelb waren am Laufsteg zu sehen. Die Palette reichte von Flamencotänzerinnen-artigen Modellen über aufwendige seidene Roben bis hin zu Bleistiftröcken. Ein Teil der Models trug statt High Heels flache Espadrilles.
Alles in allem ein erfolgreiches Jahr für den diskreten Neo-New-Yorker, der zwar beteuert, gerne Interviews zu geben und Events zu veranstalten, aber nicht unbedingt so im Rampenlicht stehen muss wie sein Vorgänger. Dessen Tradition, die Frauen zu treffen, die er einkleidete, will Copping unbedingt fortführen. Der Designer nennt es nüchtern "engen Kundenkontakt": Vor einigen Wochen erst traf er Houstons Stylingqueen, Lynn Wyatt, die in den USA eine bekannte Societylady und mit Designern wie Karl Lagerfeld oder Jean Paul Gaultier gut Freund ist. Für ihren 80. Geburtstag hatte Copping eine Spezialanfertigung, ein langes Spitzenkleid, kreiert. Wen er demnächst noch gerne einkleiden würde? "Cate Blanchett, die beweist guten Geschmack am roten Teppich." (Marietta Adenberger, RONDO, 13.11.2015)
Schmuck als Statement
Peter Copping präsentierte in London seine erste Kollektion für das Swarovski-Label Cadenzza
"Jede Frau braucht einzigartigen Schmuck", hat Oscar de la Renta einst gesagt und seinen Worten meist pompöse Taten folgen lassen. Der Designer war bekannt für seine üppigen, glamourösen Schmuckkreationen, von denen er lieber zu viel als zu wenig zu seinen Roben kombinierte.
Für die österreichische Swarovski-Tochtermarke Cadenzza, für die Größen wie Roberto Cavalli und Jean Paul Gaultier, aber auch junge Designer entwerfen, designt das Label eine Luxusmodeschmuckkollektion, die heuer Peter Copping verantwortet. Kein Neuland für ihn, er hat auch bei Nina Ricci und Louis Vuitton schon mit Schmuckdesignern zusammengearbeitet. Große Blütenmotive, Vintage-Elemente und Kristalle, kombiniert mit filigranem Kristallpavé sind das Hauptthema. Seit August ist die Golden Collection erhältlich, die Blue Collection mit königsblauen Kristallen seit Anfang November.
"Für Oscar de la Renta ist die Schmuckkollektion eine Möglichkeit, den Spirit des Labels zu verkaufen. Auch an jene, die sich die Mode nicht leisten können", so Copping. Aber wie bei der Mode schaltet der Designer auch hier eine Nuance leiser: "Oscar hatte die Tendenz, Schmuck mit jedem Outfit zu kombinieren, Ohrringe, Armreife und Ketten, alles zusammen. Ich glaube nicht, dass das notwendig ist." Manchmal stehe das Kleid am besten für sich. Frauen sollten überhaupt lieber Schmuck tragen, der glaubhaft an ihnen aussehe. Wobei: Manche tragen Schmuck als Statement, dagegen sei nichts einzuwenden. (Marietta Adenberger, RONDO, 13.11.2015)