Die Architekten Tina Parkkinen und Alfred Berger in ihrem Schlafzimmer im 13. Bezirk. Den Schlafraum verstehen die beiden als Wohnraum, deshalb finden sich darin auch Sitzmöbel und andere Wohnobjekte. Und deshalb ist auch die Schlafzimmertür nie geschlossen. Geht es nach den Entwerfern, neigen sich die Zeiten, in denen das Schlafzimmer ein klassisch geschlossenes Ehegemach darstellt, ihrem Ende zu.

Foto: Nathan Murrell
Foto: Nathan Murrell
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Das Schlafzimmer ist der Ort, an dem man träumt, an dem man aber auch aus dem Schlaf erwacht oder hineinsinkt. Das heißt, man erlebt hier auch Halb- und Tagträume. Somit dient das Surrounding in diesem Raum gewissermaßen als Projektionsfläche. Für uns ist ein heller, weißer Raum einer, in dem man seine Fantasien besser projizieren kann. Das funktioniert auch in einem schwarzen Zimmer, aber keinesfalls in einem sehr durchgestalteten Raum.

Früher wohnten wir in einem Loft im siebenten Bezirk, sind dann aber in einen Altbau mit modernen Adaptierungen in den 13. Bezirk gezogen. Das heißt, wir hatten nach der vollkommen offenen Situation wieder eine Schlafzimmertüre. Die bleibt allerdings immer geöffnet. Der Raum hat zwei sehr große Fenster in zwei Himmelsrichtungen mit Blick auf den Garten, dadurch kommt kein Gefühl des Geschlossenen auf. Das ist wichtig.

Rückzugsgebiet und Wohnraum

Wir sind keine Anhänger starrer Funktionsräume, deshalb kann es schon vorkommen, dass sich die halbe Familie in unserem Schlafzimmer aufhält. Genauso ist es möglich, dass man im Wohnzimmer ein Schläfchen hält. Das Schlafzimmer ist Rückzugsgebiet, aber auch offener Wohnraum. Es geht auch im Privaten um eine sehr flexible Nutzung von Wohnraum, das gilt auch für das Schlafgemach.

Bis in die Zeit der Renaissance haben Adelige in einem Zimmer gewohnt. Darin stand eine Bettkiste, zum Essen wurde ein Tisch, zum Waschen ein Zuber hereingetragen. Die Urform des europäischen Wohnens funktionierte also im Prinzip wie in einem Zelt, in dem alles stattgefunden hat. Nach und nach wurden die Räume multipliziert. Die konsequent durchstrukturierten Funktionsräume sind erst mit den modernen Wohnbauten im 20. Jahrhundert entstanden.

Schamgrenzen

Wenn man von einer Hierarchie der Räume in einer Wohnung oder einem Haus sprechen will, dann ist es uns wichtig, dass man diese Hierarchie auch immer wieder kippen kann. Ein gutes Zimmer ist ein gutes Zimmer, egal was ich gerade darin tue. Wenn das Schlafzimmer groß genug ist, warum sollten sich darin keine Sitzmöbel wiederfinden, um die Wohnmöglichkeit im Schlafzimmer vielfältiger zu gestalten. Ein Schlafzimmer ist nicht nur zum Schlafen da. Im Gegensatz zu früher lesen heute auch viel mehr Menschen im Bett.

Zurzeit findet in Sachen Schlafzimmer als Rückzugsort ein starker Wandel statt. In der finnischen Kultur war und ist es durchaus üblich, Gästen auch das Schlafzimmer zu zeigen. So ein Verhalten hält in Österreich erst teilweise und seit kurzem Einzug. Die verschämte Geschlossenheit bricht allmählich auf. Durch diese Öffnung wird der Schlafraum auch repräsentativer.

Zeiten des Kammerls neigen sich dem Ende zu

Ferner wünschen sich mehr und mehr Bauherren, sofern die Möglichkeit vorhanden ist, einen Durchgang zum Bad und zu einem Schrankraum. Der Bedarf nach mehr Wohnraum nimmt also auch im Schlafzimmer zu. Die Zeiten des kleinen Kammerls, des klassisch geschlossenen Ehegemachs, in das man sich zur Bettruhe zurückzieht und wo man sich an- und auszieht, neigen sich dem Ende zu.

Das hat einen Boheme-Touch, denn, wie gesagt, auch die Schamgrenzen haben sich verändert. Das Schlafzimmer bekommt einen lustvolleren Raumcharakter. Apropos lustvoll: Die Entscheidung für getrennte Schlafzimmer hängt sehr stark von der Konstellation ab. Der eine Typus – lassen Sie ihn uns den "Beziehungswechsler" nennen – wird vom getrennten Schlafzimmer nicht so begeistert sein wie Paare, die schon 30 oder 40 Jahre verheiratet sind.

Gedankenwelt

Ein Riesenthema in Sachen Schlafgemach ist das Licht. Der eine möchte noch lesen, der andere nicht, die eine hat's gern verdunkelt, der andere wacht gern mit dem Sonnenlicht auf. Man will abends noch auf die Straße schauen und doch von dort nicht gesehen werden. Der erste Blick am Morgen aus dem Fenster ist auch ein wichtiger, schließlich springt in diesem Moment die Gedankenwelt so richtig an. All diese Dinge mögen bei der Planung des Schlafzimmers durchdacht sein.

Die Idee, dass ein Bett einen fixen Platz für alle Zeiten haben muss, gefällt uns nicht besonders. Auch diesbezüglich geht es uns um Flexibilität, um lose Möblierung. Ein guter Raum sollte über viele Jahrzehnte funktionieren. Warum sollte man ein Bett nicht mitten in den Raum stellen, wenn es das Zimmer erlaubt? Das widerspricht nicht selten den Vorstellungen von Bauherren, die glauben, alles brauche seinen fixen Platz. Wir sprechen diesbezüglich von Nutzungsneutralität. Man sollte sich von der Vorstellung lösen, dass man die vollkommene Kontrolle seiner Lebenswelt in der Designphase erreichen muss. Mit den Steckdosen gibt's sowieso immer Probleme. Deshalb kann man nicht genug von den Dingern haben.

Was wir folglich auch nicht mögen, sind fixe Schränke, diese Last von Schränken, dieses verkastelte Unverrückbare. Deshalb versuchen wir, so gut es geht, Schrankräume in Wohnungen zu integrieren. Klar, die brauchen Platz. Dafür verschwindet auch die Unordnung. Man sieht, es kann nicht genug Flexibilität geben. Lebenssituationen ändern sich, Kinder ziehen aus, manche wieder samt Partner ein, vielleicht benötigen die Großeltern einen Platz unter dem Dach. Nix is fix. Auch nicht im Schlafzimmer. (Michael Hausenblas, RONDO, 13.11.2015)