"Zum Glück bin ich noch nicht in den Ruhestand gegangen, sonst hätte ich diesen großen Moment nicht mehr verkünden können", scherzte Jean-Claude Biver (66) bei der Präsentation der neuesten Errungenschaft unter seiner Ägide: der Smartwatch "Connected" von TAG Heuer.
Dabei konnte selbst Biver, eine lebende Legende der eidgenössischen Uhrenindustrie und mächtiger Uhrenboss des weltgrößten Luxuskonzerns LVMH zu dem TAG Heuer gehört, seine Nervosität kaum verbergen. Geriet die Präsentation doch zu so etwas wie einem Staatsakt. Im Hauptquartier des LVMH-Konzerns in New York unweit des Central Park gaben sich Intel-Chef Brian Krzanich, Google-Vizepräsident David Singleton und LVMH-Chef Bernard Arnault persönlich die Ehre, um die "erste" Luxus-Smartwatch der Schweizer Uhrenindustrie vorzustellen.
Selbst der Schweizer Botschafter hielt eine kurze Rede. Biver sprach unterdessen von der Heirat zwischen "Silicon Valley" und "Watch Valley", einer Verbindung von Tradition und Zukunft, Schweizer Design und US-Technologie.
Thema Smarwatch wird ernster genommen
"Erste Smartwatch" ist allerdings ein wenig anmaßend: Frédérique Constant war mit seiner "Horological Smartwatch" doch deutlich schneller. Aber immerhin: Gemeinsam mit Intel und Google hat es die Schweizer Luxusuhrenmarke innerhalb von 15 Monaten geschafft, eine Smartwatch zu entwickeln. Die "Connected" gilt zumindest schon jetzt als die Schweizer Antwort auf die Apple Watch. Deren Gefahrenpotenzial ist zwar nach wie vor nicht ganz greifbar, wird aber von den Schweizer Uhrenherstellern ernster genommen – das geht aus einer einschlägigen Umfrage von Deloitte hervor.
Denn bislang haben es die traditionellen Schweizer Uhrenbauer nur am Rand des wachsenden Marktes für Smartwatches gekratzt, der zuletzt durch die Apple Watch angekurbelt wurde. So hat Konkurrent Swatch zwar ebenfalls eine Smartwatch im Angebot, diese hat aber weniger Funktionen als die Produkte anderer Anbieter. Ganz bewusst hat sich der Konzern gegen Armbanduhren mit zahlreichen Computerfunktionen wie etwa einer Verbindung zum Internet entschieden.
Ganz anders die "Connected". Das zeigt schon die Wahl der beiden mächtigen Kooperationspartner: Intel präsentiert mit der Uhr die neueste Generation ihrer Atom-Mikroprozessoren "Z34XX". Die Intel-Technologie in der Uhr optimiert die Leistung, unterstützt eine Vielzahl von Verbindungsoptionen wie Audio-Streaming, Bluetooth und Wi-Fi.
Google liefert die Inhalte
Für die Uhr mit vier Gigabyte Arbeitsspeicher ist ein Mobiltelefon nicht unbedingt von Nöten, man kann beispielsweise beim Joggen Bluetooth-Kopfhörer mit ihr verbinden. Google lieferte das Betriebssystem Android Wear und beriet Tag Heuer bezüglich der verfügbaren Programme auf der Uhr. Funktionieren soll sie jedoch sowohl mit dem iPhone als auch mit Android-Handys, was die Sache natürlich spannend macht. Sie verfügt über ein kleines Mikrofon zur Kommunikation via Google Sprachsteuerung
Das Schöne an der "Connected": Sie sieht nicht aus wie eine Smartwatch. Das war eine der Vorgaben von Biver an die Designabteilung von TAG Heuer. Sie sieht aus wie eine klassische Sportuhr, die legendäre "Carrera". Ihr Gehäuse besteht aus Titan (Grade 2, um genau zu sein), ist also sehr leicht und unempfindlich. Der Durchmesser beträgt 46 Millimeter, entspricht also im Wesentlichen dem eines echten Chronografen. Getragen wird die Uhr an einem Kautschukband, das es in insgesamt sieben Farbvarianten gibt.
Die Computeruhr hat ein Touchdisplay aus Saphirglas – bekannt von Herstellern wie Samsung. Zum ersten Mal hat TAG Heuer, gegründet 1860, drei digitale Zifferblätter entwickelt (auch "Watch Faces" genannt), die unverkennbar die Designcodes der Carrera-Kollektion von TAG Heuer aufweisen, ob bei den Zeigern, Indexen, Zählern, dem Datumsfenster oder der Minutenteilung. Im Google Play Store kann man sich dann auch weitere Varianten herunterladen.
24 Stunden Akkulaufzeit
Die digitalen Zifferblätter sind originalgetreu dem Erscheinungsbild und den Funktionen eines echten Zifferblatts nachempfunden, mit Schatten unter den Zeigern und ansprechendem Sonnenstrahlen-Lichteffekt. Und da die TAG Heuer Connected in allererster Linie eine Uhr ist, bleiben die digitalen Zeiger und Indexe stets sichtbar, auch wenn sich die Uhr im Energiesparmodus befindet. Womit wir bei der Akkulaufzeit wären (eine der Schwächen der Apple Watch): Diese beträgt 24 Stunden. Da könnte, geht es nach Biver ruhig ein bisschen nachgebessert werden. Aufgeladen wird der Akku über Induktion. Das heißt, man legt die Uhr aufs Aufladegerät. Über die Entwicklungskosten wird geschwiegen. Aber der Preis steht schon fest: 1.350 Euro kostet sie. 15.000 Stück will man bis Ende des Jahres produzieren.
Was erwartet sich TAG Heuer von der "Connected"? "Wir wollen ein jüngeres Publikum für Uhren begeistern", sagt Jean-Claude Biver – für mechanische Uhren, wohlgemerkt: Daher auch das Angebot die "Connected" nach dem Ablauf der zweijährigen Garantie gegen eine "echte" Carrera zu tauschen, wobei die Smartwatch als Anzahlung dient. So etwas kann auch nur einem Biver einfallen.
Kein "Swiss Made"
Tatsache ist jedoch, dass die Schweizer (Luxus-)Uhrenindustrie derzeit einen Anschub brauchen könnte: Deren Exportraten haben im dritten Quartal 2015 den größten Einbruch seit dem Krisenjahr 2009 zu verbuchen. Vor allem das untere Preissegment bis zu 500 Euro ist davon betroffen – das könnte eine Auswirkung der Apple Watch sein. Genaues weiß man allerdings noch nicht. Analysten der Bank Vontobel gehen wiederum davon aus, dass mittelfristig 30 bis 50 Prozent aller Quarzuhren auf die eine oder andere Weise mit smarten Features ausgestattet sein könnten.
Ein kleines, aber wichtiges Detail am Rande: Nach dem wertvollen und prestigeträchtigen "Swiss Made"-Label sucht man auf der "Connected" vergeblich, denn die Uhr wird bei Intel in den USA hergestellt. Dafür steht "Intel inside" und "Swiss Engineered" auf dem Gehäuseboden. Dazu Biver: "Das Herz der Uhr stammt schließlich aus den USA." (Markus Böhm, 10.11.2015)