Wien – Die Flüchtlingskrise wird Europa und Österreich noch lange Zeit begleiten. Davon ist Gewerkschaftspräsident Erich Foglar überzeugt. Von einer Festung Europa in der Diktion von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hält er nichts, von einer Registrierung der Flüchtlinge an den Außengrenzen der EU hingegen viel. Foglar forderte am Dienstag im Klub der Wirtschaftspublizisten auch eine Abkürzung der Asylverfahren.

Es müsse im Interesse aller Beteiligten rasch entschieden werden, wer Asyl oder subsidiären Schutz erhält und wer nicht bleiben darf. Dann sei die Gewerkschaft auch bereit, über einen erleichterten, aber kontrollierten Zugang zum Arbeitsmarkt zu verhandeln. Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte haben derzeit schon vollen Zugang zum Arbeitsmarkt. Asylwerber können hingegen nur im Tourismus und in der Landwirtschaft arbeiten, wenn sich nach einer Bedarfsprüfung niemand anderer dafür findet.

Solidarität bei Aufteilung

Subsidiärer Schutz für ein bis zwei Jahre ist eine Aufenthaltsberechtigung, die gewährt werden kann, wenn die Fluchtgründe für einen Asylstatus nicht reichen, die Lage im Herkunftsland aber die Rückkehr auf absehbare Zeit nicht möglich erscheinen lassen. Laut Foglar sollte man in der Flüchtlingspolitik nach den Prinzipien Menschlichkeit, Ordnung und Solidarität vorgehen. Mit Solidarität sei die gerechte Aufteilung von Flüchtlingen auf die einzelnen Mitgliedsstaaten in der EU und in Österreich auf die Bundesländer gemeint.

Für eine rasche Integration in den Arbeitsmarkt seien Sprachkurse schon während des Asylverfahrens sinnvoll, insbesondere bei jenen mit einer großen Chance auf ein Bleiberecht. Von den Qualifikationen der Flüchtlinge dürfe man sich jedenfalls nicht zu viel versprechen. Foglar verwies auf eine Erhebung des Arbeitsmarktservice vom September, wonach 82 Prozent der gemeldeten anerkannten Flüchtlinge höchstens einen Pflichtschulabschluss hatten, 15 Prozent einen Lehrabschluss oder eine höhere Ausbildung. Die Sozialpartner seien bereit, über einen leichteren und kontrollierten Zugang zum Arbeitsmarkt zu verhandeln.

Herausinvestieren aus Krise

Von den 2,5 Prozent Wirtschaftswachstum, die nach Ansicht von Wirtschaftsforschern für einen nachhaltigen Abbau der Arbeitslosigkeit nötig wären, ist Österreich mit heuer voraussichtlich 0,8 Prozent (jüngste OECD-Schätzung) weit entfernt. Das streitet auch der Gewerkschaftspräsident nicht ab. "Wir müssen uns herausinvestieren aus der Krise", sagte Foglar. Er fordert mehr Investitionen, hält aber von zusätzlichen Zuckerln nichts. Geld gebe es wie Sand am Meer, es müsse nur ausgegeben werden. (Günther Strobl, 10.11.2015)