Die (Schreckens-)Vision, die Gerfried Sperl hier kürzlich entworfen hat – "Regierungsbildung 2018: Kanzler Strache, Vizekanzler Kurz" – hat einige Wahrscheinlichkeit für sich.

Die FPÖ unter Heinz-Christian Strache hat derzeit einen sehr guten Lauf, die Umstände begünstigen das noch: Flüchtlingskrise, Arbeitsplatzkrise, Uneinigkeit und Unfähigkeit der Regierenden, damit umzugehen, weitgehende Aushöhlung früherer Konsenspolitik durch Sozialpartner und andere "staatstragende" Institutionen. Alarmierend sollte dabei nicht nur sein, dass die FPÖ mit rund 30 Prozent weit vor SPÖ und besonders ÖVP liegt, sondern dass Strache persönlich in der Kanzlerfrage weit vor Werner Faymann und Reinhold Mitterlehner liegt. Das zeigt, dass sich anders als früher viele Menschen mit der Idee eines Kanzlers Strache anfreunden oder abfinden können.

Viele fragen, ob das so schrecklich wäre; und man trifft immer öfter Leute, die zwar die FPÖ ablehnen, sie aber aus Wut über die Regierenden gewählt haben oder sagen, sie würden sie wählen.

"Schrecklich"? Kommt darauf an, wo man demokratiepolitisch steht. Eine Kanzlerschaft der FPÖ würde einen atmosphärischen und wohl auch institutionellen Umbau der Republik bedeuten.

Wir hätten dann ein autoritäres System mit plebiszitären Elementen. Beispielsweise würde Strache etwa eine Volksbefragung darüber abhalten, ob "Ausländer" Sozialleistungen bekommen sollen; ob die religiösen und politischen Rechte von Muslimen nicht eingeschränkt werden sollen; und letztlich wohl ein Referendum über einen EU-Austritt. Das würde populistische Gelüste befriedigen, aber Österreich schaden. Die Wirtschaftspolitik wäre, wie schon seinerzeit, bei Schwarz-Blau von Inkompetenz und Korruption gekennzeichnet, allerdings jetzt im Kanzlerformat. Gegner der FPÖ müssten mit administrativen Schikanen oder Schlimmerem rechnen. Die Opposition und die kritischen Medien würden gegängelt und abgewürgt. Es herrschte ein ständiges Klima der Verhetzung und Herabwürdigung von als gefährlich betrachteten gesellschaftlichen Gruppen wie zum Beispiel die zivilgesellschaftlichen Flüchtlingshelfer.

Um staatliche Sozialgeschenke an die eigene Klientel zu finanzieren, würden a) neue Schulden gemacht und b) unliebsame Gruppen selektiv besteuert. Die ÖVP würde, wenngleich nicht vielleicht unter Sebastian Kurz, der nicht gerne Zweiter ist, dabei mehr oder weniger mitmachen.

Mit einem Wort, das wäre die "Dritte Republik", wie sich ein Jörg Haider das seinerzeit vorgestellt hat. Der wollte auch eine Aufwertung des Präsidentenamtes auf Kosten der Position des Kanzlers, gleichzeitig eine Abwertung des Parlaments. So wie es Tayyip Erdoğan in der Türkei vorführt.

Österreich wäre dann eine Demokratur wie jetzt die Türkei, Ungarn und Russland und würde sich auch außenpolitisch an diese autoritär regierten Staaten anlehnen statt an die EU.

All das, was zu Haiders Zeiten ganz fern schien, ist um einiges wahrscheinlicher geworden.(Hans Rauscher, 10.11.2015)