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Eine der gefährdeten Gopherschildkröten in der Mojave-Wüste im Westen der USA. Die Reptilien leben dort unter extremen Bedingungen, die dafür verantwortlich sind, dass größere Jungtiere eher überleben.

Foto: AP

Escondido/Wien – Dass Mütter genetisch und auch epigenetisch allergrößten Einfluss auf ihren Nachwuchs nehmen, ist trivial. Wie aber verhält es sich etwa mit der mütterlichen Körpergröße? Macht es für das weitere Leben einen Unterschied, von einer größeren oder kleineren Mutter geboren worden zu sein?

US-Zoologen haben diese Fragen am Beispiel einer seltenen Landschildkrötenart zu beantworten versucht. Das Team um Melia Nafus vom San Diego Zoo Institute for Conservation Research, einer Naturschutz-NGO im kalifornischen Escondido, beobachtete die Entwicklung von jungen Gopherschildkröten aus verschiedenen Gelegen und machte dabei einige nicht ganz erstaunliche Beobachtungen.

Kalifornische Gopherschildkröten kommen vor allem in der Mojave-Wüste vor und gelten als stark bedroht. Gründe sind unter anderem die Zerstörung ihres Lebensraums durch Landnahme und Militär sowie Rinderhaltung. Die Forscher versprachen sich von ihrer Studie auch Aufschlüsse darüber, welche weiblichen Tiere für Wiederansiedlungsprogramme ausgewählt werden sollten.

Dass größere Schildkrötenweibchen größere Gelege oder größere Eier produzieren können, war bekannt. Und aus etlichen Studien über verschiedene Tierarten weiß man, dass die Größe beim Lebensstart das Überleben in den ersten Wochen beeinflusst. Bislang war aber wenig erforscht, wie sich im Tierreich die Größe des Muttertieres auf das nachfolgende Wachstum und die längerfristigen Überlebensraten des Nachwuchses auswirken.

Es kommt auf die Größe an

Für ihre Untersuchung fingen die Biologen in der Mojave-Wüste weibliche Gopherschildkröten, bestimmten, ob sie trächtig waren, und vermaßen ihre Rückenpanzer. Dann wurden die Reptilien in raubtiersichere Pferche einer Forschungsstation entlassen. Dort vergruben sie 29 Gelege. Die geschlüpften Schildkröten wurden vermessen, markiert und die bis dahin überlebenden Tiere nach einem Jahr erneut untersucht.

Die im "Journal of Zoology" veröffentlichten Resultate waren eindeutig: Die Größe der Mutter wirkte sich nicht auf die Zahl der Eier aus, und die Größe des Geleges hatte keinen Einfluss auf die spätere Größe der Jungen. Viel wichtiger: Ein größerer Rückenpanzer beim Schlüpfen aus dem Ei erhöhte das Wachstum und die Überlebenschancen der Jungtiere im ersten Jahr signifikant.

Wie lässt sich dieses Ergebnis erklären? Und ist es generalisierbar? Wohl eher nicht, denn die bis zu sieben Kilo schweren Tiere haben sehr spezielle Lebensbedingungen. So müssen sie zum Überleben in der Mojave-Wüste Phasen extremen Mangel an Nahrung und Wasser überstehen. Die Hitze bewältigen die Reptilien nur, indem sie tiefe Wohnhöhlen graben, in denen sie die meiste Zeit verbringen.

Größere Individuen haben entsprechend auch größere Blasen, in denen sie Wasser speichern können – ein enormer Vorteil für Wüstenschildkröten im Überlebenskampf. Eine weitere Erklärung für die mittelfristig besseren Überlebenschancen größerer Jungtiere könne aber auch sein, dass diese über größere Fettvorräte und mehr Energiereserven verfügen.

Eine Generalisierung wagen die Forscher aber doch: Eine große Mutter zu haben lohnt sich vor allem dann, wenn die Jungtiere wegen einer feindlichen Umwelt hoher Sterblichkeit ausgesetzt sind. (Kai Althoetmar, 11.11.2015)