"Warum habe ich Schmerzen beim Laufen?", fragte sich der amerikanische Journalist Christopher McDougall 2010 in seinem Erstlingswerk "Born to Run". Er machte sich auf den Weg nach Mexiko, wo ihn das indigene Volk der Tarahumara in ihre Geheimnisse des Langstreckenlaufs einweihte. Die Botschaft: Wer gesund und schmerzfrei laufen will, läuft barfuß – ein Denkanstoß für Läufer.
Auch in McDougalls zweiten Wurf "Handbuch des Helden" steht eine profane Frage am Anfang: Wie sehen echte Helden aus? Diesmal geht die Reise nach Kreta, der "Insel der Helden", wie McDougall sie nennt. Der erzählerische rote Faden: Im zweiten Weltkrieg entführten Rebellen auf Kreta einen ranghohen Nazi und lieferten sich ein Versteckspiel mit den Feinden. Wie das zum Fitnessthema passt, das sich Leser von McDougalls Erstlingswerk erhoffen? Anhand der Rebellen versucht er zu analysieren, was Helden ausmacht und konzentriert sich dabei nahezu ausschließlich auf eine körperliche Ebene.
Parcourstraining und Cross Fit
Das Problem: Im Gegensatz zum ersten Buch, in dem es fast ausschließlich um das Laufen ging, versucht McDougall im "Handbuch des Helden" so viele Ernährungs- und Fitnesshypes wie möglich unterzubringen. Er jongliert mit Trendbegriffen wie Functional Fitness und Faszientraining, er erläutert die Bedeutung von Kampfsportarten und Paleo Diät und kratzt dabei in allen Fragen lediglich an der Oberfläche. Vom zweiten Weltkrieg geht es für Leser beispielsweise zum Parcours-Training nach London, wo Hindernisse in der Großstadt überwunden werden, zum sogenannten Wildfitness (Übungen für Jäger und Sammler?!) bis zum Cross Fit, dem boomenden Zirkeltraining.
Nach langen Einschüben kehrt McDougall immer wieder zu den Widerstandskämpfern auf Kreta zurück. Diese hätten gelernt, im Ausdauersport ihr Körperfett anzuzapfen und seien dadurch den Gegnern überlegen. McDougalls – sehr dünne – Argumentation in puncto Faszientraining: Helden legen sich keine Muskelpakete zu, sie trainieren ihr Bindegewebe, das den Körper wie ein Gummiband zusammenhält. Nur wer sich frei bewegen kann, hat den Kopf frei für Heldentaten, so die Theorie.
Steinzeiternährung
Auch die Ernährung ist wichtig für Helden, etwa in Form der Paleo-Diät, deren Anhänger sich wie unsere Vorfahren in der Steinzeit ernähren: mit Fleisch, Wurzeln, Nüssen und Beeren – ohne Milch, Zucker und Getreide. Das Geheimnis von McDougalls Helden liegt in fett- und vor allem fleischreicher Ernährung, auf Kohlehydrate wird verzichtet. Um das zu belegen, wird mit Wundergeschichten von Leistungssteigerungen und Gewichtsreduktionen von Athleten geprotzt. Gut, dass er wenigstens nicht verschweigt, dass die American Heart Association dabei zur Vorsicht mahnt.
Für McDougall ist Heldentum keine Tugend, sondern eine erlernte und vor allem eine körperliche Fähigkeit. Ein "Handbuch" ist ihm nicht gelungen, auch wenn es der Titel verspricht. Was Leser mitnehmen können: Wer fit werden will, muss nicht unbedingt ins Fitnesscenter, sondern findet sowohl in der Natur als auch in der Großstadt genügend Möglichkeiten zum Training. Dabei ist auch eine gesunde Ernährung wichtig. Darüber, dass diese aus wenig Zucker und wenigen industriell vorgefertigten Produkten bestehen soll, herrscht heute weitestgehend Konsens. Ob uns dieses Wissen zum Helden – oder zur Heldin – macht, sei dahingestellt. Zumindest das Potenzial dazu hätten wir laut McDougall aber alle. (Franziska Zoidl, 19.11.2015)