Heimo Zobernigs Raumskulptur segelt durch das Obergeschoß des Bregenzer Kunsthauses.

Foto: Markus Tretter

Bregenz – Den großen Effekt? Den erzielt Heimo Zobernig in Venedig – aber nicht nur dort – mit dem Reduzierten. Noch bis 22. November kann man sich in den Giardini ein Bild davon machen, wie er das Raumgefühl im Josef-Hoffmann-Pavillon verwandelt, wie er das Historistische zugunsten modernerer, an Mies van der Rohe erinnernder architektonischer Züge versteckt hat. Der Blick surft an den eleganten Geraden entlang, schier perfekte, störungsfreie Harmonie entstand. Und der Eingriff? Der ist nun beinahe unsichtbar.

Als es dann hieß, Zobernigs Biennale-Arbeit würde in seiner Personale im Bregenzer Kunsthaus (Kub) gezeigt werden, machte nicht nur die zeitliche Überschneidung der beiden Präsentationen stutzig. Denn selbst wenn Ideen leichteres Reisegepäck sind als loftgroße Architekturen, durfte man doch neugierig sein, wie das für den konkreten Ort Entwickelte den Umzug an den Bodensee überstehen würde. Nur kurz: Die Operation ist gelungen. Denn trotz allen Schraubens an der Wahrnehmung von Architektur ist die Venedig-Intervention ja, dafür ist Zobernig viel zu sehr Bildhauer, vor allem Skulptur.

Das wesentlichste Element war der rund 288 Quadratmeter große schwarze Körper, der über dem Raum zu schweben schien und der nun – im Nachbau aus glänzend lackiertem Wabenkarton statt aus MDF-Platte – wie ein Raumschiff durch das dritte Obergeschoß des Kub segelt.

Hier platzt die extravagante Form, die sich durch die Auslassungen für die Säulen und Wandvorsprünge im Hoffmann-Bau ergab, eher vorwitzig herein und fordert Platz ein. Nach oben hin öffnete man die Glasdecke und gewährt so Blicke in das konstruktive, tageslichtgeflutete Innenleben des Baus. Vom Verhüllen also zum Freilegen. Vom fast Unsichtbaren, der Funktion Untergeordneten zu einem autonomen Statement. Wenn man die Formgebung den zweckgebundenen Anforderungen anpasse (wie in Venedig), kämen dabei interessante Strukturen heraus, so Zobernig im STANDARD-Gespräch. Die Entscheidung über die Gestalt seiner Skulptur habe er so "ausgelagert".

Okay, ganz hat die Kopie trotzdem nicht hereingepasst. Ein Stück musste man abzwicken, schließlich ist der Kubus von Architekt Peter Zumthor eher von quadratischem Grundriss. Aber die Vorstellungskraft hilft, sich die dunkle Raumkarosse bis in unendliche Galaxien fortgesetzt vorzustellen – oder im Bodenseenebel verschwindend.

Science-Fiction-Held in Bronze

Beobachtet wird das Ganze von einer Bronzefigur, die mit den stehengebliebenen Gusskanälen eher wie ein Science-Fiction-Held mit allerlei Schläuchen und Kabeln wirkt, aber des Künstlers Züge trägt. Zobernig greift Fragen zur Figur wieder auf, die quasi in Form von Schaufensterpuppenfragmenten (hier nun Geschlechtergrenzen ignorierend zur Gussvorlage vereint) viele Jahre in seinem Atelier schlummerten und nun wieder wach werden.

Die Puppen geben auch dem mit Zobernigs typischen Regalskulpturen gefüllten Geschoß eine humorvolle Note, werden teils in sie hineingebaut und von den Brettern unterteilt. Das menschliche Maß besitzen die wunderbaren Variationen auf das "Billy"-Regal ja schon von Natur aus. Lackierte und nicht lackierte Pressspanplatte, und freilich ohne Bügelkante, ja sogar ein geteertes und gefedertes Modell ist dabei.

Aber freilich sind es auch die formalen Fragen des Zeigens, die "Voraus-Bedingungen des Ausstellens" (Kub-Direktor Thomas Trummer), die in den an den Minimalismus anschließenden Objekten Zobernigs ganz generell anklingen. Sie sind aber auch Archive von Geschichten. Etwa jener von 1987. Da wollte Zobernig in Brüssel einen Raum mit brauner Farbe gestalten. In einer Pause verschwand der Farbtop. Dafür war der Sockel der Fritz-Wotruba-Skulptur frisch gestrichen. "Ich habe den Sockel dann als meine Arbeit adoptiert." (Anne Katrin Feßler, 12.11.2015)