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Kohlekraftwerke wie hier in Gelsenkirchen werden im Sinne der Energiewende zurückgefahren.

Foto: AP/Martin Meissner

Wien – Die Klimakonferenz in Paris wird unter ganz neuen Vorzeichen stattfinden. Früher, in Zeiten des Kioto-Klimaprotokolls, eines völkerrechtlichen Vertrags, war das Vorhaben, ein gemeinsames Reduktionsziel mit verpflichtenden Einsparungen zu erreichen.

Davon sei man nun abgekommen, erklärt der Ökonom Stefan Schleicher vom Grazer Wegener-Institut. Das, was von den Staaten bis dato vorgelegt wurde, basiert durchwegs auf Freiwilligkeit. Ob dies ein Vorteil sei im Vergleich zu früher mit der völkerrechtlichen Bindung, werde sich noch zeigen, meint er. Jedenfalls säßen China und die USA mit am Tisch. Alleine dies sei schon ein Vorteil, da China (als früheres Nicht-Industrie-Land) von den Auflagen durch Kioto erst gar nicht erfasst war und die USA den Vertrag aufgrund geänderter Regierungsverhältnisse parlamentarisch erst gar nicht hat absegnen lassen.

Ob die neue Ausgangslage zu einer tragfähigen internationalen Klimaschutzpolitik führen wird, ist dennoch vollkommen offen.

Frage der Einhaltung

Jedenfalls sei es zu "Entwicklungen abseits des Uno-Prozesses" gekommen, wie Schleicher sagt. "Denn auf der Ebene der Uno ist kein wirkungsvolles Werkzeug zu erwarten." Das zeige die Vergangenheit. Allerdings sei es auch mit der Freiwilligkeit so eine Sache. Wegen innenpolitischer Interessenkonflikte würden in Paris gemachte Zusagen dann möglicherweise nicht eingehalten.

Außerdem sind die bisher vorliegenden Klimaschutzzusagen nicht hoch genug, um das von der Wissenschaft vorgegebene Ziel zu erreichen, die Erderwärmung bei zwei Grad plus zu begrenzen. Dies bedeutet, dass es ab 2020 zu einer Halbierung der Treibhausgasemissionen kommen müsste.

Blockierende Minderheit droht

In einer Untersuchung von Wegener-Institut und Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) zum Thema wird angeführt, dass es immer zu einer blockierenden Minderheit kommen kann. Denkbar sei, dass sich die Entwicklungsländer zu einer Zustimmung für eine Pariser Vereinbarung nur mit verbindlichen Finanzierungszusagen bzw. Zusagen zu einem verstärkten Technologietransfer bewegen lassen. Einer der Verhandlungsgegenstände in Paris ist ein "Green Climate Fund", über den ab 2020 jährlich ein Betrag von mindestens 100 Milliarden Dollar (95 Milliarden Euro) für den Transfer von "grünen" Technologien zur Verfügung gestellt werden soll. Auch sollen Kompensationen für Schäden aus dem Klimawandel ausverhandelt werden.

"Somit wird nach der Pariser Konferenz die Frage zu stellen sein, ob der bisher weitgehend unwirksamen internationalen Klimaschutzpolitik der Versuch eines Neuanfangs gelungen ist, auch wenn es an wirksamen Maßnahmen noch auf eine längere Zeit mangelt", resümieren das Autorenduo Schleicher und Angela Köppl vom Wifo.

Österreich kauft Zertifikate

Österreich dürfte dank schwachen Wirtschaftswachstums und zuletzt vergleichsweise warmer Winter die Energie- und Klimaziele bis 2020 erreichen. Das geht aus dem Klimaschutzbericht des Umweltbundesamtes (UBA) hervor, der Dienstagabend präsentiert worden ist.

Analysiert wurden dabei Zahlen aus dem Jahr 2013. Schätzungen zufolge dürften die Treibhausgasemissionen aber auch 2014 gesunken sein – voraussichtlich um vier Prozent, wie UBA-Chef Jürgen Schneider sagte. Dennoch sei nicht alles rosig; Österreich somit auch nicht ein Vorbild.

So müsse Österreich nach 2020 wesentlich höhere Anstrengungen unternehmen, um dann die deutlich ehrgeizigeren Ziele der EU für 2030 und 2050 auch nur annähernd erfüllen zu können. Dazu sei es notwendig, möglichst rasch die Weichen zu stellen. Zeiten vergleichsweise niedriger Spritpreise, wie sie derzeit und wahrscheinlich noch länger der Fall seien, sollten dafür genützt werden, die Mineralölsteuer anzuheben, sagte Schneider.

Der UBA-Chef plädiert für eine aufkommensneutrale Ökologisierung des Steuersystems. Schließlich sei der Verkehr einer der Hauptschuldigen an der steigenden Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre. Wegen manipulierter Abgaswerte müsse man möglicherweise Emissionsszenarien neu erstellen.

Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) geht davon aus, dass Österreich bald seine Klimaschutzziele ohne den Zukauf von Verschmutzungszertifikaten erreichen können wird. In der Aktuellen Stunde, in der Klimaschutz das Thema war, wurde auf die hohen Kosten für den Import fossiler Energien hingewiesen: jährlich rund zehn Milliarden Euro. (Johanna Ruzicka, Günther Strobl, 12.11.2015)