Nach Ansicht des Mietrechts-Experten Martin Gruber ist die Ausbeutung von Flüchtlingen am privaten Wohnungsmarkt schwer zu verfolgen. Das liege an den juristischen Umständen, aber auch an den harten Bedingungen für die Flüchtlinge in Wien, sagte Gruber der Austria Presse Agentur.

Am Mittwoch war bekannt geworden, dass Betrüger dutzende Flüchtlinge geschädigt haben könnten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen zumindest zwei Vermieter, die Schutzsuchende im großen Stil ausgebeutet haben sollen.

In einem Fall soll ein arabischstämmiger Geschäftsmann Wohnungen, die er selbst von den Eigentümern anmietete, an Flüchtlinge aus dem Irak und Syrien untervermietet haben. Mehrfach habe er dann Mitzahlungen der Flüchtlinge nicht an die Wohnungsbesitzer weitergegeben – die Schutzsuchenden wurden daraufhin delogiert.

Verdacht auf Sachwucher

Nach Ansicht des Experten ist in einem solchen Fall das Vorgehen für die Behörden schwierig. Denn die Nicht-Zahlung der Miete ist kein Strafrechtsdelikt – für eine Betrugsanklage müsse daher ein Vorsatz nachgewiesen werden, sagte Gruber.

Im konkreten Fall ermitteln die Staatsanwälte wegen des Verdachts auf Sachwucher. Dieser sei aber praktisch "totes Recht", es habe in den vergangenen Jahrzehnten kaum Verurteilungen unter diesem Paragrafen gegeben, sagte Gruber. Greifbar sei ein betrügerischer Vermieter wohl höchstens, wenn er auch Umsatzsteuerbetrug begehe.

Die Aufklärung von Mietbetrug an Flüchtlingen scheitert nach Ansicht des Experten aber auch an den Opfern. "Bei solchen Sachen machen die Betroffenen in den seltensten Fällen eine Anzeige", sagte Gruber. Diese verstünden oft kaum Deutsch und fühlten sich ihrem Vermieter ausgeliefert.

Keine zentrale Erfassung

Erschwerend komme hinzu, dass es keine zentrale Erfassung von Mietverträgen geben. So seien wohl vielfach Flüchtlinge geschädigt worden, ohne dass die Behörden davon erführen, sagte der Experte.

Die mutmaßlichen Betrugsfälle zeigen die schwere Lage der Flüchtlinge auf dem Wohnungsmarkt. "Es fehlt an Wohnraum – es gibt Massenquartiere, wo alleinstehende Männer pro Matratze zahlen", erzählt Gruber. Diese Form der Geschäftemacherei sei aber schwer zu ahnden, etwa weil es keine Mietzinsgrenzen bei Neubauten gebe.

Die Situation werde sich verschlimmern, wenn in den kommenden Monaten viele Iraker und Syrer in Österreich Asyl bekommen und dadurch aus der staatlichen Grundversorgung rausfallen, glaubt der Experte. Bisher stellen Bund und Länder für die Schutzsuchenden Quartiere – als anerkannte Flüchtlinge haben sie darauf aber keinen Anspruch mehr und müssen am privaten Markt suchen.

Schützen könne man die Flüchtlinge etwa, indem der Staat oder Hilfsorganisationen als Hauptmieter für sie auftreten. Damit könne einzelnen Wohnungseigentümern die Angst genommen werden, bei einem Zahlungsausfall oder Schäden auf ihren Kosten sitzen zu bleiben, sagt Gruber. (APA, 12.11.2015)