Der britische Premierminister David Cameron ist offenbar unzufrieden mit den Auswirkungen seines Sparprogramms: In einem von der "Oxford Mail" veröffentlichten Schreiben beklagt er sich bei seinem Parteigenossen Ian Hudspeth, dem Vorstand seines Heimatbezirks Oxfordshire, über seiner Ansicht nach ungerechtfertigte Budgetkürzungen bei Altenpflege und Bildung.
"Ich bin enttäuscht", ist in dem mit 14. September datierten Brief zu lesen, "dass sich in dem Entwurf für das Bezirksbudget 2016/17, den du mir netterweise übermittelt hast, eine lange Liste von Sparvorschlägen bei Bürgerdienstleistungen wie Tageszentren für Senioren, Bibliotheken und Museen findet. Dazu kommen unerwünschte und kontraproduktive Vorschläge, Kinderkrippen im Bezirk zu schließen."
"Kreativer sparen"
Stattdessen könnten Verwaltungskosten gesenkt und Immobilien verkauft werden, schreibt Cameron und äußert Zweifel, ob angesichts der "recht geringen Senkung" der Bundesmittel, die der Bezirk von der Regierung erhält, überhaupt so viele Kosten reduziert werden müssen, und fordert "kreativere Sparvorschläge".
Hudspeths Antwort ist lesenswert: Punkt für Punkt erklärt der Lokalpolitiker dem Premier, dass seine Behörde bereits 40 Prozent der leitenden Beamten entlassen habe. Alle Grundstücke und Gebäude, deren Verkauf möglich war, seien veräußert worden. Bei dieser Gelegenheit weist Hudspeth Cameron darauf hin, dass eine Finanzierung der laufenden Gemeindeausgaben durch Immobilienverkäufe auf Dauer nicht aufrechtzuerhalten sei.
Eine Kürzung der staatlichen Unterstützung für den Bezirk Oxfordshire um 72 Millionen Pfund (101 Millionen Euro) oder 37 Prozent könne man außerdem nicht als "geringfügig" bezeichnen. Dann rechnet Hudspeth Cameron seine Fehlkalkulationen vor: Die Einsparungen in Höhe von 204 Millionen Pfund (288 Millionen Euro), die der Premier kumulativ seit dem Budgetjahr 2010/11 veranschlagt, beträfen zum Beispiel lediglich ein Jahr, insgesamt seien es seit Camerons Amtsantritt 626 Millionen Pfund (884 Millionen Euro) gewesen, auf die der Bezirk verzichten musste.
Drastische Sparmaßnahmen
Der britische Rechnungshof kritisierte bereits vor einem Jahr, dass Camerons Regierung offenbar "nur eingeschränkt versteht", was ihre Sparvorgaben für Regionalverwaltungen bedeuten.
Laut dem Einsparungsrechner der "Financial Times" wurden seit 2010 in Oxfordshire die Bildungsausgaben um 26 Prozent reduziert. Weil Cameron dem Bezirksvorsteher in seinem Schreiben angeboten hat, er könne sich ja an seine Stabsabteilung wenden, und sogar die Kontaktdaten seines Sonderberaters Sheridan Westlake mitschickte, will die oppositionelle Labour Party nun wissen, ob der Premier seinem Heimatbezirk etwa eine Sonderbehandlung zukommen lässt: Das würde nämlich einen Verstoß gegen den Verhaltenskodex für Regierungsmitglieder darstellen. (Bert Eder, 12.11.2015)