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Die Hürden sind hoch. Bashar al-Assad (li., im Kreml am 20. Oktober) will nicht über sein Ende verhandeln. Russlands Präsident Wladimir Putin fordert mehr Bewegung bei Gesprächspartnern.

Foto: AP, Alexei Druzhinin, RIA-Novosti, Kremlin Pool Photo

Wien – Die Erwartungen an die nächste Runde der Syrien-Gespräche am Samstag in Wien sind nicht besonders hoch: Nach einem vagen Prinzipienpapier am Schluss des Treffens Ende Oktober und dem Beginn des Projekts, auf dem Papier "Terroristen" und kämpfende "Opposition" auseinanderzudividieren, geht es erst einmal vor allem darum, den gerade begonnenen Prozess auf Schiene zu halten.

Im Vorfeld beklagten sich die Russen, dass nicht alle Wien-Teilnehmer ihre Hausaufgaben zu machen bereit seien: Aus Teheran kam die Klarstellung, dass man in Wien nicht über die Zukunft Assads reden, und aus Damaskus, dass man nicht über die eigene Abschaffung verhandeln werde.

Dementsprechend groß ist der Pessimismus auf der Gegenseite – und in Wien werden einmal mehr keine Syrer mit am Tisch sitzen. So weit ist man noch lange nicht.

Institutionen und Regime

In der internationalen Diplomatie überwiegen die Zweifel, dass Syrien als Staat in seinen jetzigen Grenzen überleben wird, was ja das vorrangige Ziel Russlands ist. Auf der Wiener Prinzipienliste steht auch die "Erhaltung der Institutionen". Die Frage ist, ob in einem von einer autokratischen Herrschaft geformten und durchdrungenen Staat wie Syrien Institutionen und Regime überhaupt noch zu trennen sind. Im Irak, wo die USA 2003 dachten, die vom Saddam-Regime "geleerten" Institutionen könnten mit neuen Kräften quasi neu befüllt werden, klappte das jedenfalls nicht. Mit dem Regime brachen die Institutionen und der Staat weg.

In den vergangenen Tagen wurde ein russisches Dokument geleakt, das eine 18-monatige Übergangszeit bis zu gemeinsamen Legislativ- und Präsidentenwahlen in Syrien vorsieht. Eigentlich sollte ja das Parlament im Frühjahr 2016 gewählt werden: Auch bei einem größeren Parteien-Angebot hätten Wahlen in einem Land keine Aussagekraft, in dem große Teile des Territoriums von anderen Kräften kontrolliert werden und im vom Regime kontrollierten Teil Angst und Schrecken herrscht.

Davon, dass Assad zu den Präsidentenwahlen nicht mehr antreten dürfte, ist in dem russischen Acht-Punkte-Papier aber keine Rede; nur, dass er den verfassungsgebenden Prozess – der natürlich die Rolle des Präsidenten schwächen würde – nicht kontrollieren dürfte. Assad-Gegner bezeichneten das Papier nach Bekanntwerden als völlig unzureichend, russische Diplomaten verteidigten es daraufhin als "Vision". Verhandelt im eigentlichen Sinn wird es in Wien nicht.

Einstweilen geht es primär um den Versuch einer Einigung der Länder des Wien-Prozesses, der auch die scharfen Opponenten Saudi-Arabien und Iran beinhaltet, darüber, wer über die politische Zukunft Syriens überhaupt mitreden darf. Das russische Ziel ist, dass außer dem "Islamischen Staat" (IS) auch noch andere Gruppen als terroristisch identifiziert werden, womöglich mit einer Resolution im Uno-Sicherheitsrat. Unter den Gruppen und Individuen, die Moskau von Verhandlungen ausschließen will, sind auch solche, die von der Türkei, Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten unterstützt werden.

1500 Milizen

Das Aussortieren wird ein äußerst mühsamer Prozess werden. Von den etwa 1500 in Syrien kämpfenden Milizen – diese Ziffer ist eine CIA-Schätzung – sind zwar nur 20 bis 30 wichtige Akteure, aber die erfolgreichsten davon sind Jihadisten. Kämpfende Rebellen mit einer säkularen Vision für Syrien, wie sie Russland fordert, wird man mit der Lupe suchen müssen. Russland zeigt aber Bewegung, was die "Freie Syrische Armee" betrifft, die mit der von der internationalen Gemeinschaft anerkannten syrischen Exilopposition verbunden ist. Diese Opposition ist jedoch auch untereinander zerstritten und wird von westlichen Diplomaten als große Enttäuschung bezeichnet.

In den vergangenen Tagen flog Russland bedeutend mehr Lufteinsätze in Syrien als die USA, die allerdings auch im Irak am Kampf gegen den IS beteiligt sind. Die US-geführte Anti-IS-Allianz litt zuletzt unter dem nicht proklamierten, aber doch feststellbaren Rückzug arabischer Luftstreitkräfte aus dem Angriffsgeschehen. Grund dafür sind der gleichzeitige die Ressourcen belastende saudisch-geführte Krieg im Jemen, aber auch die Frustration über die USA, die zwar langsam ihr Engagement im Syrien-Kriegstheater herauffahren, aber dennoch den Russen weiter den Vortritt lassen. (Gudrun Harrer, 13.11.2015)