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Der serbische Premier Aleksandar Vučić ließ als Ehrerweisung für die Ermordeten Blumen auf dem Friedhof bei Srebrenica niederlegen.

Foto: AFP / Elvis Barukcic

Diesmal hat man ihm die Geste abgenommen. Der serbische Premier Aleksandar Vučić legte auf dem Friedhof in Potočari, unweit der ostbosnischen Stadt Srebrenica, wo tausende ermordete Bosniaken begraben sind, Blumen nieder. "Niemand kann den Schwestern ihre Brüder zurückgeben oder Müttern ihre Söhne, aber wir können eine andere und bessere Zukunft gestalten", sagte er in Bezug auf den Genozid, den hier bosnisch-serbische Einheiten im Jahr 1995 an über 8.000 Bosniaken verübt hatten.

Im Sommer noch war Vučić in Potočari ausgepfiffen und mit Steinen verjagt worden. Am Mittwoch kam er als Friedensstifter, und die Bosnier nahmen die Initiative mit Wohlwollen auf. Das Gelände war diesmal von Sicherheitskräften umringt – Helikopter flogen in der Luft. Und Vučić kam nicht nur mit ernsthaften Worten und versöhnlicher Symbolik, sondern auch mit Geld.

Brücke der Zusammenarbeit

Selbst der Bürgermeister von Srebrenica, Ćamil Duraković, war erstaunt über die Großzügigkeit. "Wir haben nicht erwartet, dass es Geldmittel in diesem Ausmaß gibt", sagte er. Serbien stellt Srebrenica fünf Millionen Euro für den wirtschaftlichen Aufbau zur Verfügung. "Ich will, dass Srebrenica die Brücke der Zusammenarbeit wird", sagte Vučić. Dies meinte er wohl in zweierlei Hinsicht. Srebrenica liegt nahe an der serbischen Grenze, und Belgrad will gemeinsam Energie- und Infrastrukturprojekte angehen. Vučić hatte bereits bei der ersten gemeinsamen Sitzung zwischen der serbischen und der bosnischen Regierung Anfang November diese Kooperation angestoßen.

Gute Nachbarschaft

Vučić weiß aber auch, dass Srebrenica ein Symbol für alle Bosniaken ist, und mit der Spende für die Stadt sichert er sich die Freundschaft mit den Politikern in Sarajevo. "Wir wollen die nächsten 100 Jahre in Frieden verbringen", sagte er an die Bosniaken gerichtet. "Und das ist unser bescheidener Beitrag für unsere gemeinsame Zukunft." Der Satz könnte in die Geschichte eingehen. Noch nie ist ein serbischer Politiker seit dem Krieg (1992–1995) auf der symbolischen Ebene so weit gegangen.

Der Politologe Ešref Kenan Rašidagić von der Universität Sarajevo spricht von einem umfassenden Richtungswechsel der serbischen Regierung. "Vučić bildet gute Beziehungen zur Zentralregierung in Sarajevo und nicht wie seine Vorgänger primär zum Landesteil Republika Srpska. Er meint es ernst mit einer guten Nachbarschaft." Und obwohl er in Serbien mit einer solchen Politik nicht punkten könne, mache er sie trotzdem.

Dabei haben Leute wie Rašidagić keine besonders gute Meinung von Vučić. Die Bewohner von Sarajevo werden nicht vergessen, dass Vučić im Krieg bei den Tschetniks oberhalb der Stadt war und noch Jahre danach serbisch-nationalistische Positionen vertrat. Sie bewerten den "neuen" Vučić. Natürlich wolle er der EU gefallen und spiele auf zwei Fronten, räumt Rašidagić ein. "Aber in die Republika Srpska und nach Russland kommt er mit leeren Phrasen, und für Bosnien-Herzegowina macht er praktische Schritte." Rašidagić glaubt nicht, dass der Präsident der Republika Srpska (RS), Milorad Dodik, der die Sezession des Landesteils will, wegen Vučić seine Politik ändern wird, obwohl der serbische Premier gegen das von Dodik angedrohte Referendum Stellung nahm. "Dodik hat Vetomöglichkeiten, er hat ein Budget, er kann die Stabilität bedrohen. Er braucht Vučićs Unterstützung nicht."

Referendum im Frühjahr

Dodik will Insidern zufolge das Referendum gegen die gemeinsame bosnische Justiz kommenden Frühling, zeitlich nahe an den Lokalwahlen abhalten. Die Zentralregierung in Sarajevo will im Jänner einen Antrag auf EU-Kandidatenstatus stellen. Vom letzten Coup Russlands ließ man sich nicht beeindrucken. Kurz vor dem 20. Jahrestag des Friedensvertrags von Dayton wurde am Dienstag im Sicherheitsrat die Resolution zur Verlängerung der Eufor-Mission angenommen. Russland setzte sich mit einem Resolutionstext durch, der erstmals seit 2004 nicht mehr die euroatlantische Zukunftsperspektive enthält. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 12.11.2015)