Mehr als 200 Filialen hat die Bank Austria in Österreich noch. Sollte sie diese nicht verkaufen, wird es zu weiteren Schließungen kommen. Internetriesen à la Google spitzen auf den Zahlungsverkehr.

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Stefan Pichler: "Wer die Daten aus dem Zahlungsverkehr hat, hat auch die Macht im Geschäft."

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STANDARD: Die Bank Austria verliert ihr Osteuropa-Geschäft an Mailand und wird ihre Privatkundensparte verkaufen oder stark zurückfahren. Eine bedrohliche Entwicklung?

Pichler: Nein, und in Bezug aufs Osteuropa-Geschäft keine Überraschung, weil ja der Bank-der-Regionen-Vertrag ausläuft. Große Konzerne haben eine Tendenz zur zentralen Steuerung, das ist bei der Unicredit nicht anders. Wenn sie das Osteuropa-Geschäft nun bilanziell auf Ebene der Muttergesellschaft ansiedelt, ist das für sie offenbar optimal.

STANDARD: Österreichische Aufseher atmen auf, weil damit das Risiko aus den volatilen Ostmärkten für Österreich geringer wird.

Pichler: Kurzfristig betrachtet ist das auch positiv, weil die Bank Austria das Risiko nicht mehr mit Eigenkapital abpuffern muss. Allerdings fällt auch der Ertrag weg.

STANDARD: Wird auch noch das Filialgeschäft verkauft oder stark zurückgefahren: Verliert die Bank Austria dann ihre Bedeutung auf dem Finanzplatz Österreich?

Pichler: Nein, sie wäre mit ihrem Geschäft für große Unternehmens-, vermögende Privatkunden, öffentliche Hand und Investmentbanking noch immer eine sehr große Geschäftsbank.

STANDARD: Und Österreich ist sowieso overbanked ...

Pichler: Das sehe ich anders, das ist ein Begriff aus der Planwirtschaft. Genauso gut könnte man behaupten, es gebe zu viele Würstelstände in Wien. Wenn es zu viele Filialen gibt, werden die Banken welche zusperren, das regelt der Markt. Gesellschaftspolitisch spannender ist die Frage, was aus den Filialmitarbeitern wird, die dann möglicherweise keinen Job mehr finden. Dann wird es wirklich ein Problem. Und wenn Kunden, die Filialen brauchen und suchen, keine mehr finden.

STANDARD: Wo sehen Sie denn den größten Umstrukturierungsbedarf in Österreichs Banken?

Pichler: Es werden jene Institute bestehen, die erkennen, dass die Bedeutung des Zahlungsverkehrs steigt. Nur mit dem Retailgeschäft, mit Krediten und Sparbüchern können die Banken nicht überleben. Der Zahlungsverkehr ist der Schlüssel für die Universalbankstruktur, und gerade in dieses Geschäft steigen jetzt die globalen Internet-Player ein. Wer das ignoriert, wird Probleme bekommen.

STANDARD: Bereiten sich Österreichs Banken auf die Konkurrenz von Google, Amazon und Co vor?

Pichler: Ja, viele tun das, sie wissen, dass von dort große Konkurrenz droht. Wobei die Regulierungen diesem Eindringen der Internet-Konzerne heute noch einen Riegel vorschieben.

STANDARD: Ganz leicht haben es Banker heutzutage nicht. Sie müssen höhere Kapitalpolster aufbauen, in Abwicklungs- und Einlagensicherungsfonds einzahlen – und in Österreich auch noch Bankensteuern abliefern. Oder ist das Jammern auf hohem Niveau?

Pichler: Das ist die Crux: Die europäischen Regulierungen zwingen die Institute dazu, höhere Eigenkapitalpuffer aufzubauen – es wird also schwieriger, Gewinne zu erwirtschaften, weil das Risiko heruntergefahren wird. Die Banken kommen so ins Geschäft mit geringeren Margen – was bei einem niedrigen Zinsniveau fatal ist. Zudem kostet die Regulierung viel: Man braucht Personal, Beratung, IT. Und dann müssen die Institute noch die Fonds füllen: Das macht es nicht leicht. Österreichs Banken sind zudem durch die Bankenabgabe überdimensional betroffen, das ist ein sehr negatives Umfeld für Erträge.

STANDARD: Die Politik will eben, dass Banken nicht so groß sind.

Pichler: Ja, Europa hat die politische Entscheidung getroffen, den Bankensektor zu verkleinern, seine Bedeutung wird abnehmen. Banken sind zum Schrumpfen gezwungen, das ist politisch gewollt bzw. in Kauf genommen. Aber: Wenn man einen Sektor zu Tode reguliert, wird ein anderer Sektor kommen.

STANDARD: Google und Co?

Pichler: Kommt darauf an, was im unregulierten Bereich passiert. Sicher ist: Wer die Kundendaten aus dem Zahlungsverkehr hat, der hat auch die Macht im Geschäft. Die Information, wo wir wann was zahlen, ist Macht, die man ökonomisch nutzen kann.

STANDARD: Das können die Banken schon jetzt.

Pichler: Sie tun aber weniger mit den Daten, als sie könnten, gehen vorsichtig damit um. Die globalen Internet-Player haben da einen anderen Zugang, sie wollen die Daten und Informationen auch aus- und verwerten.

STANDARD: Und im Internet ist es mit dem Regulieren schwieriger als bei den Banken.

Pichler: Ja, im Internet ist manches extrem schwierig zu regulieren, und da muss man auch sehr behutsam umgehen mit Regulierungen. Sonst landet man im Überwaschungsstaat. (Renate Graber, 13.11.2015)