Es mag Länder geben, in denen sich politische Tragödien gelegentlich als Farce wiederholen. In Österreich droht sich die Farce als Schmiere zu wiederholen. Nach dem Scheitern des schwarz-blauen Experiments im Jahr 2006 fanden sich SPÖ und ÖVP zwar zum Aufräumen der Trümmer zusammen, wobei es an wechselseitigem Vertrauen aber ebenso gebrach wie an inhaltlicher Übereinstimmung in grundsätzlichen Fragen. Das musste sich auf Dauer, zumal in schwierigen Zeiten, auf die Effizienz der Koalition auswirken. Nach beträchtlichem personellen Verschleiß, vor allem in der Volkspartei, einem Niedergang beider Parteien bei so gut wie allen Wahlen und der daraus folgenden, nicht mehr zu verbergenden wechselseitigen Abneigung wird die Frage nach Schwarz-Blau neuerlich aufgeworfen. Immer lauter.

Um sich dabei nicht zu überanstrengen, setzt man in der ÖVP ungeprüft auf die Regierungsfähigkeit der FPÖ, ohne dass diese Partei in den letzten Jahren besondere Fortschritte auf diesem Gebiet nachgewiesen oder gar zivilisatorisch nachgebessert hätte. Mit der gebotenen Klarheit bei aller Verschwommenheit hat sich zuletzt dazu Erwin Pröll im Kurier geäußert, wobei er keinen Zweifel daran ließ, dass die FPÖ "als Nr. 1 nach demokratischen Regeln" regieren soll. Im Klartext: Natürlich mit der ÖVP. Man müsse sich schon die Frage stellen, was berechtigt jemanden, die Nummer eins aus der Regierung fernzuhalten, dozierte der Landeshauptmann. Hätte er sie im Jahr 1999 gestellt, als die SPÖ als Nummer eins aus den Wahlen hervorgegangen ist und von Wolfgang Schüssel aus der Regierung ferngehalten wurde, könnte man seiner Ansage jene Konsistenz und staatsmännische Weisheit zubilligen, die einem möglichen Kandidaten für die Hofburg zur Zierde gereicht. So aber handelt es sich um jenen kaum verbrämten Opportunismus, mit dem er auch der Frage ausgewichen ist, ob er mit Drechslern antisemitischer Sprüche oder Leuten, die Asylwerber als Erd- und Höhlenmenschen bezeichnen, als Regierungsmitglieder leben würde: Mit dieser Frage müsse er sich "Gott sei Dank" nicht auseinandersetzen.

Das wäre alles egal, gäbe es die Garantie, dass er seine Dankbarkeit Gott gegenüber bis ans Ende seiner politischen Tage in St. Pölten auslebt. Er will aber, bei aller Verbundenheit mit Niederösterreich, Bundespräsident werden, und dann könnte es dazukommen, dass er sich mit dieser Frage, Gott hin, Gott her, doch auseinandersetzen muss. An einem solchen Problem hatte schon ein anderer Bundespräsident zu kauen, und auch dem ist es schwergefallen, den einen oder anderen schwarz-blauen Brocken zu schlucken. Etwas mehr als die Nonchalance einer formalen Berufung auf "demokratische Regeln", nämlich auch den Willen, den Ruf Österreichs zu schützen, sollte man von einem Kandidaten für das höchste Amt erwarten können. Was ebenso für die selbsternannte Kandidatin der Zivilgesellschaft gilt, die auch noch keine tieferen Bedenken gegen die Strache-FPÖ verriet.

Prölls Versuch, sich als Kandidat auch für freiheitliche Wähler zu empfehlen, war vielleicht etwas plump, aber die ÖVP wird er gewiss beeindruckt haben. (Günter Traxler, 12.11.2015)