Wien – Obwohl Markus G. gerne Medienarbeit betrieben hat, ist er doch kein Freund der Öffentlichkeit. Und lässt daher seinen Verteidiger Adrian Hollaender vor seinem Prozess wegen Freiheitsentziehung, Nötigung und Körperverletzung den Ausschluss derselbigen beantragen. Begründung: Es seien politische Aspekte im Spiel, die sein Menschenrecht auf Achtung des Privatlebens tangieren würden. Erfolglos – Richterin Andrea Wolfrum sieht dafür keinen Grund.

Politisch ist die Geschichte tatsächlich. Es geht um einen wüsten Streit innerhalb der heimischen Pegida-Bewegung. Staatsanwalt Markus Zellinger wirft dem 40-jährigen Arbeitslosen vor, den ehemaligen Pegida-Sprecher Georg Nagel und einen weiteren Aktivisten am 5. März in seiner Wohnung eingesperrt zu haben. Gut zwei Wochen später soll der Unbescholtene seinem Kontrahenten dann ein blaues Auge verpasst und das Stück eines Zahns ausgeschlagen haben.

Angeklagter dreimal ermahnt

Allzu viele Pluspunkte sammelt der Angeklagte schon vor Beginn der Verhandlung nicht. Er kommt nämlich zehn Minuten zu spät. Beliebter macht er sich auch danach nicht: Er antwortet auf Fragen ausschweifend und -weichend, später unterbricht er Zeugen und amüsiert sich auf der Anklagebank, was ihm insgesamt drei Ermahnungen Wolfrums einbringt.

Die Anklagepunkte leugnet er, sieht sich vielmehr als Opfer. Er ist von einer Intrige Nagels gegen ihn überzeugt. Die fragliche Nacht Anfang März schildert er so: "Wir waren bei mir in der Wohnung, die beiden wollten einen Verein gründen und dazu meine Adresse verwenden."

Er wollte das nicht, es kam zum lautstarken Streit, Nagel sei ausfällig und wütend geworden. "Ich habe ihm auch einen leichten Klaps gegeben", dabei sei aber nichts passiert.

Verschwundener Schlüssel

Dass das Duo danach nicht gleich gehen konnte, bestreitet er nicht. Er sperre nämlich grundsätzlich seine Wohnungstür zu, wenn er daheim sei. Grundsätzlich lasse er den Schlüssel stecken oder lege ihn an einen von zwei Plätzen. Just an dem Abend sei der Schlüssel aber eine halbe Stunde nicht auffindbar gewesen. "Wobei wir dazwischen ja immer weiterdiskutiert haben, ich habe nicht ständig danach gesucht."

Auch die Behauptung, er habe seine Wiederaufnahme in die Pegida gefordert, weist er energisch zurück. "Ich habe die Bewegung beraten", sagt er, in PR- und Medienfragen. Erfahrung darin hatte er, schließlich war er auch für eine Wiener FPÖ-Bezirksgruppe tätig. Aber Nagel sei damals schon als Pegida-Sprecher zurückgetreten gewesen.

"Und was könnten die beiden für ein Motiv haben?", interessiert Wolfrum. "Es ist die problematische Psychologie des Herrn Nagel, ich soll der Sündenbock sen", sagt G. Als Beweis legt er auch ein SMS Nagels an einen geschäftsführenden FPÖ-Bezirksparteiobmann vor, in dem Nagel vor G. warnt.

Am Kragen gepackt

Gut zwei Wochen später sei man einander bei einem halböffentlichen Konzert wiederbegegnet. Der Angeklagte habe Nagel zunächst ignoriert, ihn aber gegen Ende zur Rede gestellt. "Da hat er mich am Kragen gepackt und begonnen, mir die Luft abzudrehen." Er habe herumgefuchelt, um sich zu befreien.

"Können Sie ausschließen, dass Sie ihn dabei im Gesicht berührt haben?", fragt die Richterin. "Ausschließen kann ich es nicht. Aber er war noch 20 Minuten da, da habe ich keine Verletzungen bei ihm bemerkt."

Dokumentiert sind allerdings ein solides blaues Auge und ein abgesplitterter Zahn Nagels. "Vielleicht hat er sich selbst verletzt oder danach jemand anderer", mutmaßt der Angeklagte. Der übrigens interessanterweise Anfang April den Verein "Pegida Österreich" gegründet hat.

Zeuge Nagel erzählt die Geschichte genau andersherum. In der Wohnung von G. sei dieser ausgerastet, da er nicht mehr bei Pegida mitarbeiten durfte, nachdem er ausgeschlossen worden war.

Vier bis fünf Pegida-Führer

"Wie kann er ausgeschlossen werden? Alle sagen, es war kein Verein?", wundert sich die Richterin. "Na ja, alle anderen haben ihn ausgeschlossen, die an der Führung beteiligt waren." – "Wie groß ist die Gruppe?" – "Vier bis fünf Leute."

Man habe dennoch das Gespräch gesucht, wollte den Verein mit seiner Adresse gründen. Er war grundsätzlich einverstanden, hat aber Bedingungen gestellt, sagt Nagel, das habe zum Streit geführt.

Als eine weitere Diskussion sinnlos schien, wollten er und sein Kollege gehen. Der Angeklagte habe aber vor ihnen die Tür versperrt und den Schlüssel eingesteckt. Man habe mehrmals von ihm gefordert, wieder aufzusperren, erst nach einem Scheinanruf bei der Polizei tat er das.

Das habe aber sicher rund eine Stunde gedauert, behauptet Nagel, der sich allerdings mit der zeitlichen Einordnung schwertut – der Abend scheint zwar nicht fröhlich, aber feucht gewesen zu sein.

Überraschende Tonaufnahme

Dann sorgt er für eine Überraschung: Er habe eine Tonaufnahme, da er eine halbe Stunde des Gesprächs heimlich mitgeschnitten habe. Ein verblüffender Umstand – davon hatte bisher niemand gewusst; sein Anwalt soll die Aufnahme bis zum nächsten Termin vorlegen, verlangt Wolfrum.

Zur Schlägerei führt Nagel aus, der Angeklagte sei nach dem Konzert zu ihm gekommen, habe ihn angeschrien und mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Er selbst habe nur versucht, ihn abzuwehren. Die frühere Freiheitsentziehung habe er danach gemeinsam mit der Körperverletzung angezeigt.

Die weiteren Zeugen sind nur bedingt ergiebig. Der zweite Pegida-Aktivist bestätigt Nagels Schilderungen der Ereignisse in der Wohnung. Die Konzertbesucher – ein Reigen aus Mitgliedern der Identitären-Bewegung, FPÖ-Aktivisten und konservativen Katholiken – sagen für die jeweils befreundete Seite aus.

Ein Detail ist allerdings interessant: Selbst Zeugen der Verteidigung berichten, dass Nagel nach dem Vorfall davon gesprochen habe, ihm sei ein Zahnstück ausgeschlagen worden. Hätte er die Verletzung schon vorher gehabt, hätte er die Situation also provozieren müssen. Oder sich danach verprügeln lassen müssen, um genau diese Verletzung zu bekommen.

Wolfrum vertagt schließlich auf unbestimmte Zeit, um die Tonaufnahme zu bekommen und einen weiteren Zeugen zu laden. (Michael Möseneder, 14.11.2015)