Es ist nicht nur alles gutgegangen, sondern sogar besser als erwartet: Nach einer friedlichen Wahl mit hoher Beteiligung hat die Nationale Demokratieliga NLD in Burma die absolute Mehrheit geholt – knapp fünf Jahre nachdem Parteiführerin Aung San Suu Kyi aus ihrem Hausarrest entlassen worden war. Mitglieder der früheren Junta gratulierten den Siegern, diese versprachen Versöhnung.

Doch noch ist Vorsicht geboten. Denn dass alles so glatt gelaufen ist, liegt auch daran, dass die größten Aufgaben noch bevorstehen. Suu Kyis NLD steht zwar für mehr Mitsprache von Minderheiten. Doch auch ihre Vorgänger haben sich zuletzt um Frieden mit ethnischen Milizen bemüht – und stießen an Grenzen. Die NLD hat im Wahlkampf den Konflikt mit radikalen Buddhisten gescheut. Es ist zu befürchten, dass sie auch an der Regierung wenig für die muslimischen Rohingya tun kann, die systematisch vom Staat diskriminiert werden. Ob sie will, ist fraglich.

Suu Kyi hat vor dem Votum angekündigt, sie strebe eine Rolle an, die "über dem Präsidenten steht". Vor dem Hintergrund einer Verfassung, die der populärsten Politikerin den Weg zum Amt versperrt, ist das verständlich. In einem Staat, der gerade dabei ist, seine demokratischen Institutionen aufzubauen, stimmt es aber nachdenklich. Die Wahl ist ein großer und ein erfreulicher Schritt. Aber sie ist eben nur ein Schritt. Viele weitere müssen folgen, und die NLD muss beweisen, dass sie bereit ist, sie zu gehen. (Manuel Escher, 13.11.2015)