Fachleute montieren den XENON1T-Detektor im Reinraum. Bald schon soll damit den bisher nur theoretischen Bestandteilen der Dunklen Materie auf die Spur gekommen werden.

Foto: XENON Collaboration

Dunkle Materie ist der dominierende Bestandteil des Universums, fünfmal mehr als die uns bekannte sichtbare Materie soll es davon geben – und trotzdem hat sie bisher noch niemand gesehen. Allenfalls indirekt durch ihren gravitativen Einfluss auf Sterne und Galaxien lässt sich Dunkle Materie nachweisen.

Die Indizien deuten darauf hin, dass Dunkle Materie aus einer bislang noch unbekannten Art von stabilen Elementarteilchen, sogenannten WIMPs besteht. WIMPs wären demnach Geisterteilchen ähnlich wie Neutrinos, die ursprünglich auch auf Grund von Indizien postuliert wurden. "Wir gehen davon aus, dass etwa Hunderttausend Dunkle-Materie-Teilchen pro Sekunde die Fläche eines Daumennagels durchströmen", sagt Manfred Lindner, Direktor am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg.

Lindner ist Teil eines internationalen Wissenschaftlerteams, das nun im Gran-Sasso-Untergrundlabor in Italien einen neuen Detektor eingeweiht hat. XENON1T ist bislang unerreicht empfindliches Instrument, das tief in den Bereich vordringt, in dem die seltenen WIMP-Signale erwartet werden. Der Detektor wurde von der internationalen XENON-Kollaboration gebaut, der 21 Forschungsgruppen aus den USA, Deutschland, Italien, der Schweiz, Portugal, Frankreich, den Niederlanden, Schweden, Israel und Abu Dhabi angehören.

Der Detektor befindet sich unter 1400 m Gestein, um ihn vor der kosmischen Strahlung zu schützen. Selbst in solcher Tiefe wird noch ein das Experiment umgebender Schutz aus 750 Kubikmeter hochreinem Wasser benötigt, der verbleibende kosmische Strahlung durch winzige Lichtblitze anzeigt und umgebende Radioaktivität abschirmt.

3,5 Tonnen flüssiges Xenon

Als Detektor für Dunkle Materie verwendet XENON1T 3,5 Tonnen des Edelgases Xenon als ultrareine Flüssigkeit bei –95 Grad Celsius. "Um die seltenen Wechselwirkungen von Dunkle-Materie-Teilchen im Detektor zu finden, brauchen wir eine große Menge Detektormaterial und eine extrem hohe radioaktive Reinheit", erläutert Christian Weinheimer von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, "sonst hätten wir keine Chance, die echten Signale unter den Störsignalen zu finden."

Die XENON-Forscher messen extrem schwache Licht- und Ladungssignale, aus denen sie den Ort der Wechselwirkung im Detektor rekonstruieren, außerdem die freigesetzte Energie. Nur Signale aus der innersten 1 Tonne des flüssigen Xenons werden als möglicherweise von Dunkle-Materie-Teilchen verursacht angesehen. Das Licht wird von 248 Lichtsensoren registriert, die so empfindlich sind, dass sie selbst einzelne Photonen nachweisen können. Sie befinden sich zusammen mit dem tiefkalten flüssigen Xenon in einer Art riesiger Thermoskanne, dem Kryostaten. Reinigung und Verflüssigung des Xenon-Gases erfolgen in dem dreistöckigen XENON-Gebäude neben dem großen Wassertank.

Erste Ergebnisse im Frühjahr

Erste Ergebnisse aus dem weltweit empfindlichsten Experiment zur Suche nach der Dunklen Materie werden schon im Frühjahr 2016 erwartet, weil XENON1T bereits nach einer Woche Messzeit alle bisherigen Experimente übertreffen wird. Nach 2 Jahren Messzeit wird die Leistungsfähigkeit des Instruments ausgeschöpft sein, wie eine eben veröffentliche Studie ergeben hat. "Natürlich wollen wir Dunkle Materie finden", sagt Lindner, "aber selbst wenn wir nach 2 Jahren nur einige Hinweise gefunden haben, sind wir in einer ausgezeichneten Position, weil wir das Instrument schnell auf XENONnT ausbauen können, um auch die letzten Reste des WIMP-Bereichs abzudecken." Dafür reicht die bestehende Infrastruktur großenteils aus. (red, 13.11.2015)