Zäune sind antieuropäisch und unmenschlich", erklärte Bundeskanzler Werner Faymann noch vor wenigen Tagen. Und jetzt wird es einen Zaun geben, mit Einverständnis der SPÖ.

Wenige Wochen zuvor tätigte Faymann auch diesen Satz: "Niemals sollte man seine Grundsätze verlassen. Weil dann ist man ein Wurschtl."

Seit knapp drei Wochen streitet die Regierung darüber, ob es einen Zaun geben soll und wie er benannt werden könnte. Der Erkenntnisstand von Freitag: Der Zaun wird Zaun heißen, er wird knapp vier Kilometer lang sein. Es ist übrigens ein klassischer Maschendrahtzaun. Der Stacheldraht soll nur im Ernstfall ausgerollt werden.

Dass die SPÖ in den letzten Tagen ihre Meinung änderte und dem Zaun plötzlich zustimmte, sei der Beharrlichkeit von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner geschuldet, heißt es. Sonst wäre der Zaun noch viel größer, länger und böser ausgefallen. Dennoch muss man an dieser Stelle festhalten, dass die SPÖ ihren Grundsätzen nicht treu geblieben ist, wenn man sie am Gesagten misst, wiewohl man anmerken kann, dass sich diese Debatte an einer unterschiedlich auslegbaren Begrifflichkeit aufhängt.

Immerhin konnte man bis Freitag zwei Parteien unterscheiden – die eine strikt gegen und die andere für den Zaun. Jetzt gibt es zwei Parteien, die gemeinsam einen Zaun an der Grenze aufstellen, den ersten innerhalb des Schengenraums. Das müsste eigentlich SPÖ wie ÖVP gleichermaßen schmerzen. Und es wird ihnen mit dieser Aktion weder gelingen, ihr Profil zu schärfen, falls das die Absicht gewesen sein sollte, noch ihre Grundsätze glaubwürdig darzustellen.

Im Grunde ging es ohnedies nur um die Symbolik, denn ein vier Kilometer langer Zaun in Spielfeld wird Flüchtlinge aus Afghanistan oder Syrien nicht davon abhalten, sich auf den Weg zu machen. Offenbar wollte die Regierung aber Handlungsfähigkeit demonstrieren, und das ist ihr mit dieser Vorstellung gründlich misslungen. Der Zaun hilft nicht.

Zur allgemeinen Verunsicherung trägt auch Außenminister Sebastian Kurz bei, der bei jeder Gelegenheit erklärt, die Situation sei außer Kontrolle: "Wir haben ein massives Problem."

Ja, das haben wir. Ein massives Problem mit dieser Regierung.

Die Regierung unter Kanzler Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner scheint weder in der Lage zu sein, die akuten Probleme kurzfristig anzugehen, noch über den Tag hinaus zu denken und – vielleicht mit den EU-Partnern gemeinsam – eine längerfristige Strategie zu entwickeln.

Offenbar funktioniert die Grenzsicherung nicht, und die Unterbringung von Flüchtlingen ist zum Teil eine Katastrophe. In Großquartieren gibt es für mehr als tausend Asylwerber eine einzige Dusche und keine geregelten Mahlzeiten. Die Bürgermeister tanzen Bund und Ländern nach wie vor auf der Nase herum und sabotieren die Quartiersuche. Wie die vielen Flüchtlinge sinnvoll integriert werden sollen, ist angesichts der Ratlosigkeit der Regierung schwer vorstellbar. Mit Wertekursen wird es wohl nicht gehen. Und den vielen freiwilligen Helfern, die so engagiert und selbstlos dort einspringen, wo der Staat nicht will oder kann, wird bald die Luft ausgehen.

Wenn es stimmt, was Kurz behauptet, dass nämlich die Situation längst "außer Kontrolle" sei und demnächst alles noch schlimmer komme, dann muss man sich wirklich fürchten: mit und vor dieser Regierung. (Michael Völker, 13.11.2015)