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Michael Häupl und Maria Vassilakou haben die Koalition fixiert.

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Der Bürgermeister und seine Vize unterschreiben das Koalitionsabkommen.

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Die neuen alten Köpfe in der Stadtregierung.

Grafik: APA

Wien – "Wir lassen uns von der Arbeit nicht abhalten. Aber das Feiern sagen wir ab." Mit diesen Worten, mit denen er auf die "entsetzlichen Ereignisse" in Paris Bezug nahm, leitete Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) am Samstagnachmittag die Präsentation von Rot-Grün II ein.

Die Grüne Maria Vassilakou, die wie berichtet Vizebürgermeisterin bleiben wird und weiterhin dem Verkehrs- und Planungsressort vorsteht, pflichtete Häupl bei. Sie zeigte sich "besorgt. Ich ahne, dass dieser grausame Anschlag lange Schatten werfen wird." Es bestehe die Gefahr, dass er dem Fanatismus Vorschub leiste und die Gesellschaft spalte. Wien müsse dem entgegenwirken und Sicherheit vermitteln. Die rot-grüne Regierung habe für ein "Wien des Zusammenhalts, der Menschenrechte und der Chancen" zu arbeiten. "Wien hat für viele gute Chancen, aber sie sind nicht für alle gleich", sagte Häupl. "Mit dem müssen wir uns auseinandersetzen."

138 Seiten Regierungsübereinkommen

Danach präsentierten Häupl und Vassilakou das Koalitionsabkommen, das laut dem Bürgermeister "auch eine Liebe zum Detail verrät". Damit spielte er auf die nicht gerade friktionsfreien Verhandlungen und auf den Umfang des Regierungsübereinkommens an: Dieses ist mit 138 Seiten fast doppelt so umfangreich als 2010.

Den Pakt hatten die Grünen vor der gemeinsamen Präsentation zuvor bei der Landesversammlung mit 93,2 Prozent abgesegnet. 2010 hatte das damals beschlossene Paket mit 98,5 Prozent eine größere Zustimmung bekommen.

Akkilic nicht im Gemeinderat

Auch die SPÖ-Gremien haben am Samstagnachmittag nach stundenlangen Beratungen das Papier abgesegnet. Von knapp mehr als 150 Delegierten im Wiener Ausschuss haben acht gegen den Pakt mit den Grünen gestimmt. "Es war eine lange, tiefschürfende Diskussion", sagte Michael Häupl in einer Stellungnahme. Senol Akkilic, der vor der Abstimmung über das Wahlrecht im Frühjahr 2015 von den Grünen zur SPÖ wechselte, ist nicht im Gemeinderat. "Er ist heute nicht gewählt worden", erklärte Häupl. Mit dem Wechsel Akkilics, den die SPÖ forciert haben soll, wurde damals eine Wahlrechtsreform verhindert.

Regierungsteam und Neuzugänge

Die rot-grüne Koalition bringt zwar Veränderungen mit sich, die Regierungsmannschaft bleibt aber bis auf einen Abgang die gleiche. Weil die SPÖ wegen des Wahlergebnisses einen ihrer bisher sieben Stadtratsposten verliert, werden die Ressorts zum Teil inhaltlich neu aufgestellt.

  • Christian Oxonitsch, bisher Stadtrat für Bildung, Sport und Jugend, wird neuer Klubchef der SPÖ Wien – seine Agenden wurden auf drei bestehende Ressorts aufgeteilt. Wer die Zuständigkeit über den millionenschweren Presse- und Informationsdienst der Stadt von Oxonitsch erbt, ist hingegen noch nicht klar. Fix ist aber laut Häupl sowie Vassilakou, dass der Werbeetat der Stadt um ein Drittel gekürzt wird.

  • Die Bildung geht an die Integrations- und Frauenstadträtin Sandra Frauenberger. Für Jugendthemen ist künftig Gesundheits- und Sozialstadträtin Sonja Wehsely zuständig. Sport übernimmt Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny.

  • Das Ressort von Ulli Sima – Stadträtin für Umwelt und Tierschutz – wird aufgewertet: Sie übernimmt die Stadtwerke inklusive Wiener Linien von Stadträtin Renate Brauner. Man habe ein "technisches Dienstleistungsressort" schaffen wollen, begründete Häupl die Entscheidung.

  • Renate Brauner bekommt zu den bisherigen Themen Finanzen und Wirtschaft die Auslandsagenden dazu. Das Amt der Vizebürgermeisterin wird sie künftig nicht mehr innehaben.

  • Michael Ludwig bleibt Wohnbaustadtrat. Er soll sicherstellen, dass – wie im Koalitionsübereinkommen verankert – jährlich bis zu 10.000 Wohnungen in der rapide wachsenden Stadt gebaut werden. 2014 waren es rund 9.000.

  • Ex-Klubchef-Rudolf Schicker wird in Zukunft in beratender Funktion tätig sein. Seine Lebensgefährtin Susanne Brandsteidl wird nicht mehr Stadtschulratspräsidentin sein. Ihr Nachfolger wird der Geschäftsführer der Kinderfreunde Österreich, Jürgen Czernohorsky.

  • Im SPÖ-Klub gibt es Neuzugänge: Marina Hanke, die 25-jährige Vorsitzende der Sozialistischen Jugend Wien, wird ebenso ins Stadtparlament einziehen wie Jörg Neumayer und Marcus Gremel von der Jungen Generation sowie die bisherige Neubauer Bezirksrätin Nina Abrahamczik.

  • Auch Gerhard Schmid, der Bundesgeschäftsführer der SPÖ und Bezirkschef der SPÖ Hietzing, ist nun Teil des roten Rathausteams. "Er wird als Verbindungsglied in die Bundespolitik in hohem Ausmaß wichtig sein", freute sich Häupl über den prominenten Neueinsteiger, der erst im Juni zum roten Parteimanager bestellt wurde.

Kovacs neuer grüner Landessprecher

Bei den Grünen kommt es ebenfalls zu einer Änderung: Joachim Kovacs, seit fünf Jahren Klubchef der Grünen in Ottakring, wird Landessprecher. Er löst Georg Prack, der bei den rot-grünen Verhandlungen in der Hauptverhandlergruppe saß, ab. Der Herausforderer, der eine Tennis-Akademie leitet, erreichte 56,90 Prozent. Kovacs, der nach dem Eklat rund um die Wahlrechtsreform im Frühjahr noch für die Aufkündigung der Koalition eintrat, will die "rot-grüne Zusammenarbeit auf Bezirksebene" verbessern.

Die Beweggründe für sein Antreten hatte er folgendermaßen erklärt: "Wir haben die letzten zwei Wahlen in Wien verloren und es ist daher Zeit für Veränderung. Die Wiener Grünen müssen sich intern breiter aufstellen und sich neuen Gruppen öffnen."

Schnellbahn fährt öfter

Die Eckpunkte des Koalitionsübereinkommens: So soll die 365-Euro-Jahreskarte bleiben und ein Öffi-Paket inklusive dichtere Takte beim Schnellbahnverkehr und Straßenbahnausbau kommen. Jährlich sollen 10.000 neue Wohnungen gebaut werden. Wien soll zu einer Modellregion für eine Gesamtschule der Zehn- bis Vierzehnjährigen werden. Zudem verspricht Rot-Grün einen garantierten Kindergartenplatz für alle Kinder ab zwei Jahren.

Faktor 0,5

Die Wahlrechtsreform sei "auf Punkt auf Beistrich ausverhandelt" worden, sagte Vassilakou. Beim Knackpunkt, dem mehrheitsfördernden Faktor 1, den die Grünen abschaffen wollten, einigte man sich auf einen Kompromiss: Der Faktor soll künftig 0,5 betragen. Das soll mit der ersten Landtagssitzung noch im Dezember erledigt werden, präzisierte die stellvertretende grüne Klubobfrau Jennifer Kickert.

Ja oder Nein zum Tunnel

Der Lobautunnel – ein weiterer großer Brocken bei den Koalitionsverhandlungen – sei "de facto abgesagt", sagte Vassilakou. Wie der STANDARD berichtete, sprach man schon am Freitag in grünen Kreisen von einem "Nein zum Tunnel". Die SPÖ dürfte diesen Punkt allerdings anders interpretieren. Die Einigung, dass eine "sechste Donauquerung" nötig sei, wie im Papier festgehalten wird, scheint man dort eher als Ja zum Tunnel zu verstehen. Den Grünen wird die Möglichkeit zur Prüfung alternativer Varianten eingeräumt.

Mehr Schulpsychologen

Außerdem sollen 1.600 Euro Mindestlohn in Wien so rasch wie möglich umgesetzt werden, "vielleicht schon im kommenden Jahr", sagte Klubobmann David Ellensohn. Der Sozialbereich sei diesmal sehr umfangreich geworden und sehr lange verhandelt worden. Eine Sozialanwaltschaft – gegen die sich die SPÖ "jahrelang mit Händen und Füßen" gewehrt habe – soll eingeführt werden. Im Bildungsbereich habe man sich auf 1.000 neue Lehrer geeinigt sowie auf 100 zusätzliche Mitarbeiter für psychosoziale Unterstützung an Wiens Schulen. Derzeit seien nur rund 20 Psychologen im Einsatz.

Maria Vassilakou wurde von der Landesversammlung mit 75 Prozent der Delegiertenstimmen als Stadträtin bestätigt. Sie wird auch künftig für Verkehr, Stadtplanung und Bürgerbeteiligung zuständig sein, zusätzlich übernimmt sie das Thema Petitionen. (David Krutzler, Christa Minkin, 14.11.2015)