Klagenfurt – Im Foyer läuft ein Video, auf dem der Kärntner Künstler Valentin Oman im Garten seines Hauses am Faaker See steht und beiläufig, während er aus seinem Leben erzählt, Farbstreifen von seinen Bildern zupft. In gewisser Weise erinnern sie auch im Endzustand noch an Verwundete, denen die Haut in Schichten abgegangen ist. Die Gaze, zur Erstversorgung aufgebracht, ist eingewachsen in Krusten und Schorfe aus Farbe. Ein einziges der Gemälde, die bis 8. März im Klagenfurter Museum Moderner Kunst Kärnten (MMKK) zu sehen sind, kommt ohne "Verbandszeug" aus: das 1999 entstandene Blaue Bild, das gemäß Omans Farbsprache vom Ende der Gewalt und des Leidens erzählt. Die Gestalt des Menschen gewinnt ihre Würde zurück, indem sie sich in der Unendlichkeit des Azurs auflöst.
Der 1935 geborene Maurersohn, der ab 1958 an der Angewandten in Wien Malerei und Grafik und nach dem Diplom 1963 in Laibach Druckgrafik studierte, ist durch Arbeiten im öffentlichen Raum einem breiten Publikum bekannt. Erstaunlicherweise musste er für seine erste große Museumspersonale fast 80 Jahre alt werden. Sie wird anschließend in Wien – zwar "nur" im Künstlerhaus, dort allerdings gegen den Usus als Einzelausstellung – und danach in Laibach gezeigt. Die MMKK-Ausstellung wird von einer weiteren flankiert: Im 20 Autominuten entfernten Schloss Ebenau zeigt Judith Walker bis 31. Jänner unter dem Titel Spuren/Sledi 55 ebenfalls hochbedeutende Arbeiten des Künstlers.
Ohne explizit konfessionell zu sein, haben Omans Grafiken, Gemälde und bildhauerische Arbeiten einen metaphysischen Charakter. Er arbeitet in Serien, von denen die bekannteste und umfangreichste Ecce homo heißt: extreme Hochformate für eine weitgehend aufgelöste menschliche Kontur, die sich durch die vielschichtige malerische Ausführung gewissermaßen als diachron liest. Alle Stufen, Hoffnungen und Rückschläge, seit die Spezies Homo sich aufgerichtet hat, scheinen da mitgemeint.
Die Betrachtung wird zur kunst- und menschheitsgeschichtlichen Zeitreise. Kaum, dass man an Alberto Giacomettis Arbeit denkt, lenken einen dort, wo mehrere Figuren beisammen sind, die klassisch-klaren Kompositionen auf die Spur Leonardo da Vincis. Es könnte sich aber auch um ein gemaltes Palimpsest handeln, im Untergrund scheinen Reste antiker Freskenporträts durch, unter denen man die Höhlenmalerei von Altamira erahnt.
Aber Valentin Oman ist kein posthistorischer Virtuose der Stile. Seine Bilder berühren unmittelbar, weil sie sein Interesse an der Condition humaine bezeugen. Vereinfacht könnte man sagen: Der Mensch tut ihm leid, besonders dessen Selbstdegradierung zum Krieger.
Das hat Oman, 1991 zufällig in Piran, in den jugoslawischen Nachfolgekriegen unmittelbar erlebt und im Piraner Kreuzweg verarbeitet. Dreizehn Stationen schemenhaftes Protokoll finsterer Gräuel. Erst in der 14. und letzten Station findet die beschädigte Ebenbildlichkeit des Menschen mit etwas Höherem zu einer Art von Erlösung, die ein leeres blaues Kreuz zurücklässt. Der Zyklus, eine Hauptattraktion der Retrospektive, ist üblicherweise neben anderen Oman-Werken in der Kirche von Tanzenberg bei St. Veit zu sehen. Milena Zlatar bezeichnet sie im Ausstellungskatalog bereits als "Kärntens Sixtinische Kapelle".
Farbintensive, vorwiegend arabische und nordafrikanische Reiseskizzen in Ölkreide, darunter humorvollerweise auch "Omani Women", sowie Landschaften, die Himmels- und Erdschichten offenlegen und demgemäß auch Himmel und Erde heißen, zwei noch stark im Informel beheimatete frühe Selbstporträts oder auch neuere Schwarz-Weiß-Bilder, die wie gemalte Grafi- ken wirken, runden die bedeutende, längst fällig gewesene Ausstellung ab. (Michael Cerha, 16.11.2015)