Nein, wie viel die Anlage gekostet hat, dürfe er einem Reporter sicher nicht verraten. "Aber glauben Sie mir: Es war ein ganzer Batzen Kohle", sagt Bruder Isaac Keeley und lacht, sichtlich amüsiert über seine eigene deftige Ausdrucksweise. Dass die Brauanlage nicht günstig war, sieht man übrigens mit offenem Auge.
Inmitten des weitläufigen Areals der ehrwürdigen Saint Joseph's Abbey steht ein brandneues, hypermodernes Gebäude mit glitzernden Chromrohren und Gärkesseln, mit geräumiger Empfangshalle und komfortablem Verkostungsraum sowie großformatigen Fenstern, durch die sich das alles bestaunen lässt. Von innen wiederum blickt man auf die gepflegten Gartenanlagen dieser Trappistenabtei nahe der Ortschaft Spencer im Bundesstaat Massachusetts, etwa eineinhalb Autostunden östlich von Boston. Die Landschaft ist lieblich und hügelig, auf grünen Weiden grasen Rinder. Die Wälder erstrahlen in den sattherbstlichen Farben des Altweibersommers, den man hierzulande Indian Summer nennt und für den diese Region berühmt ist.
"Es ist alles so neu, weil der Bau erst 2013 fertig wurde und wir erst seit vergangenem Jahr in Betrieb sind", sagt Bruder Isaac und zieht einen schweren Schlüsselbund aus der Kutte, bevor er die Tür zu dem Brauhaus aufsperrt. Damit ist Saint Joseph's die erste Abtei in Amerika und außerhalb Europas, deren Bier offiziell das Siegel des Trappistenordens tragen darf. Sie ist außerdem die zweite von gleich vieren dieses Ordens, die mit dem Brauen erst in den letzten drei Jahren begonnen haben. Die drei anderen sind die Abtei Maria Toevlucht in den Niederlanden, das Stift Engelszell im oberösterreichischen Innviertel und, als jüngster Zugang, die Abtei Tre Fontane in Rom. Abgesehen davon gibt es noch sieben historische Trappistenklosterbrauereien, sechs davon in Belgien und eine in den Niederlanden. Alles in allem also elf.
Klare Richtlinien
"Trappistenbier ist nicht die Bezeichnung eines Biertyps, sondern eine Herkunftsbezeichnung, die festlegt, dass das Bier auch tatsächlich in der Abtei und von den Mönchen gebraut wird. Und dass dabei strenge Qualitätskriterien eingehalten werden", erklärt der Braumeister. Doch wie kamen die Mönche überhaupt auf die Idee, hier in Amerika Bier zu brauen? In einem Land, das berühmt dafür ist, Religion und Alkohol als zwei völlig unvereinbare Arten der geistigen Nahrung zu betrachten?
"Als Trappisten tragen wir das Bierbrauen natürlich in unseren Genen", antwortet der joviale Mönch und lacht wieder, "das erste Trappistenkloster in Amerika wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von zwölf Brüdern gegründet, die von der Sankt-Sixtus-Abtei im belgischen Westvleteren gesandt wurden, wo man schon damals Bier braute und es bis heute tut." Ob diese Neuankömmlinge selbst auch Bier brauten, könne er zwar nicht sagen. Doch sei es zu der Zeit auch in der Neuen Welt noch für einige Orden durchaus üblich gewesen, Alkohol herzustellen. "Viele deutsch- oder irischstämmige Brüder brauten Bier, italienisch-, spanisch- oder französischstämmige erzeugten Wein", sagt der Geistliche. "Doch gegen Ende des 19. Jahrhunderts wuchs das mehrheitlich protestantische Temperance-Movement, also die Abstinenzbewegung, in Amerika stark an und wurde politisch immer einflussreicher. Um niemanden unnötig zu provozieren, beschlossen die katholischen Klöster, eher leiser zu treten, und stellten ihre Brau- und Weinbauaktivitäten lieber ein."
Und als dann im Jahr 1920 die Prohibition in Kraft trat, war's mit dem Bierbrauen in den USA sowieso vorbei. Doch auch nach deren Aufhebung zwölf Jahre später wollte wohl kein amerikanischer Geistlicher mit Alkohol in Verbindung gebracht werden. Die Nachwirkungen dieser Zeit zeigen sich übrigens bis heute, so gibt es allein in Massachusetts, jenem Bundesstaat, in dem die Saint John's Abbey liegt, nach wie vor acht Gemeinden, in denen der Konsum und Verkauf von Alkohol illegal ist.
Der Boom der Kleinen
Doch im Großen und Ganzen habe sich die amerikanische Gesellschaft geändert, auch in Bezug auf Alkohol, beteuert Bruder Isaac. "Nach der Prohibition und bis in die 1970er-Jahre gab es nur mehr ein paar Großbrauereien, die alle mehr oder weniger dasselbe dünne Gebräu anboten. Doch dann begann der Boom zu den Kleinbrauereien, und damit verändert sich auch das Verhältnis der Amerikaner zum Bier." Und so kam es, dass die Anzahl der amerikanischen Brauereien von gerade einmal 42 im Jahr 1978 auf sagenhafte 2750 im Jahr 2012 anstieg. Eine davon ist das Benediktinerkloster Monastery of Christ in the Desert im Staat New Mexico, die den Betrieb im Jahr 2005 aufnahm.
"Sie war die erste Abtei, die nach der Prohibition wieder Bier braute", erzählt Bruder Isaac. "Zu der Zeit haben wir noch ausschließlich Fruchtkonserven in Form von Konfitüren und Marmeladen erzeugt sowie eine Schneiderei für liturgische Gewänder betrieben." Doch das sind durchwegs Aktivitäten, die starken Arbeitskräfteeinsatz benötigen. Und das Problem von so gut wie allen Klostergemeinschaften heutzutage ist leider, dass ihre Mitgliederzahl abnimmt, selbst wenn Saint Joseph's mit 63 Mönchen noch verhältnismäßig gut dasteht und die zweitgrößte Trappistengemeinde der Welt bildet.
Skeptische Belgier
"Wir dachten uns also, dass das Brauen eine gute Möglichkeit wäre, um unsere Gemeinschaft und die Abtei gemäß den Prinzipien unseres Ordens finanziell selbst zu erhalten", fährt der Mönch fort. "Folglich schrieben wir unsere belgischen Brüder in Europa an und fragten sie, ob sie uns dabei helfen würden."
Doch die sind anfangs sehr skeptisch gewesen, hatten vom amerikanischen Trend hin zu Kleinbrauereien und Qualität noch nichts gehört und wussten nicht, was sie von der Initiative halten sollten. "Sie glaubten wahrscheinlich, dass wir eine Art Bud light oder so erzeugen wollten", lacht Bruder Isaac. Dennoch machte er sich auf nach Belgien, um persönlich die Brüder zu überzeugen. Was ihm schließlich auch gelungen ist. "Davor mussten wir aber noch mithilfe eines hiesigen Brauers ein paar Chargen brauen, um ein Bier zu erzeugen, das die Belgier akzeptieren würden." Mit diesem im Koffer flog er neuerlich über den Atlantik und stellte es den Belgiern vor. "Sie kosteten, waren begeistert und applaudierten", erzählt der Geistliche stolz und schickt sich an, am Zapfhahn zwei Biere zu zapfen.
Das Spencer Trappist Ale erinnert an ein typisch belgisches Bier, obergärig und mit 6,5 Prozent Alkohol, gehaltvoll, leicht süßlich. Bei den fruchtigen Hopfenaromen denkt man dann aber doch eher an amerikanische Biere. In diesem Jahr will man zum ersten Mal auch ein Weihnachtsbier auf den Markt bringen. "Alle Zutaten stammen aus den USA. Das Wasser kommt aus einer Quelle hier auf dem Gelände der Abtei", betont Bruder Isaac. "Qualität ist für uns alles entscheidend, denn nur durch sie können wir am sehr dichten Markt bestehen und die hohen Investitionen wieder hereinbringen."
Dass man sich dafür einige Zeit lässt, liegt in der Natur der Sache. Das Projekt sei nämlich auf 50 bis 100 Jahre ausgelegt und soll auch noch einigen nachfolgenden Generationen von Mönchen als Einkommensquelle dienen. "Natürlich vorausgesetzt", fügt der Braumönch lachend an, "dass es nicht neuerlich zu einer Prohibition kommt." (Georges Desrues, RONDO, 7.12.2015)