Job mit Spaßfaktor: Markus Betz verkostet jedes neue Bier, bevor er es verkauft.

Foto: Beer Lovers

Empfehlungen vom Biersommelier: Markus Betz empfiehlt unter anderem das Thornbridge I Love You Will U Marry Me (England), ein hellrotes Fruchtbier auf Ale-Basis; das Boon Kriek (Belgien), ein Lambic mit wilden Kirschen; das Anchor Liberty Ale (USA), ein goldgelbes Pale Ale mit Orangen- und Karamellaromen, sowie das Rudeen von Bevog (Österreich), ein stark gehopftes dunkles Bier mit Aromen von Röstmalz und Kaffee.

Foto: Beer Lovers

STANDARD: Im Moment kommt man an kaum einem Lokal oder Geschäft vorbei, in dem nicht Craft-Beer verkauft wird. Was ist Craft-Beer genau?

Markus Betz: Craft-Beer muss sortenreich sein, viel Flavour enthalten, und es muss von Brauereien gebraut sein, die nicht nur einen Bierstil haben, sondern auch gerne experimentieren. Entscheidend ist der Braumeister. Es kann nicht sein, dass irgendwelche Konzerne kontrollieren, was der Braumeister macht. Er muss die Freiheit haben, mit den Aromen zu spielen.

STANDARD: Wer definiert den Begriff?

Betz: Da ist nicht so einfach. Sowohl der Deutsche Brauerbund als auch einige Biersommeliers wollen sich das auf die Fahnen heften. Dabei denke ich, dass wir Diplom-Biersommeliers eine ganz andere Aufgabe haben. Wir tragen das Bier in die Welt hinaus und geben unser Fachwissen weiter.

STANDARD: Gesetzlich gibt es also keine Vorgaben wie beispielsweise in den USA?

Betz: Die Amerikaner sagen ja, es müssen unter zehn Millionen Hektoliter gebraut werden, und 75 Prozent des Unternehmens müssen im Besitz des Brauereieigentümers sein. Wenn es nach diesem Gesetz geht, hätten wir in Österreich nur Craft-Beer-Brauereien. Nehmen wir als Beispiel Stiegl. Die Brauerei ist eigentümergeführt und zu 100 Prozent in Familienbesitz. Sie wäre also nach amerikanischem Gesetz eine Craft-Beer-Brauerei.

STANDARD: So richtig neu ist Craft-Beer ja nicht.

Betz: Wir müssen vorsichtig sein mit dem Begriff Craft-Beer. Es soll keine Modeerscheinung sein, die schnell wieder out ist. Ich würde es lieber Kreativbier nennen. Es geht um ehrliches und handgemachtes Bier mit natürlichen Ingredienzien. Natürlich ist Craft-Beer keine neue Erfindung. Im Moment ist es einfach sehr modern und hip und wird auch von den Medien und der Industrie gepusht. Es gibt aber viele Brauereien, die sich schon seit Jahren mit dem Thema beschäftigen, das aber nicht nach außen getragen haben.

STANDARD: Wie wichtig ist die Präsentation des Biers nach außen?

Betz: Sehr wichtig. Transparenz spielt hier, wie bei vielen Produkten, eine große Rolle. Hinter jedem Bier muss es ein Gesicht geben und eine Geschichte, die man erzählen kann.

STANDARD: Es gibt auch viele Craft-Beers, die zu exotisch sind und von denen man kein zweites Glas trinken möchte.

Betz: Ja, die gibt es. Entscheidend ist die sogenannte Drinkability. Die hohe Kunst des Brauens liegt darin, ein rundes, nicht zu Tode gehopftes Bier zu brauen. Man muss das Bier gerne trinken. Es soll auch nach dem ersten Glas noch schmecken. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht alles als Craft-Beer verkaufen. Es gibt viele Brauereien, bei denen es extreme Qualitätsschwankungen gibt. Die Kunst ist es, immer die gleiche Qualität zu produzieren. Wenn man ein paar wichtige Dinge einhält, dann wird das Bier aber gut.

STANDARD: Welche Dinge sind das?

Betz: Wichtig ist zum Beispiel, dass das Bier immer am Ursprungsstandort gebraut wird. Es bringt nichts, mit dem gleichen Rezept das Bier in einem anderen Land zu brauen. Es gibt dort nicht das gleiche Wasser, die gleichen Rohstoffe, und es herrscht auch nicht das gleiche Klima. Stone Brewing eröffnet Anfang 2016 eine Brauerei in Berlin. Für mich hat das dann nichts mehr mit dem Ursprungsbier zu tun.

STANDARD: Ist das nicht der natürliche Lauf der Dinge? Man will ja auch als kleine Brauerei wachsen.

Betz: Klar, wenn da der große Konzern kommt und ein Angebot macht, wird es natürlich schwer für eine kleine Craft-Beer-Brauerei, dieses nicht anzunehmen. Am Ende geht es ja auch um Wachstum und Ertrag. Ob das langfristig von Erfolg gekrönt ist, bleibt aber fraglich.

STANDARD: Sie sind Diplom-Biersommelier. Kann jeder diese Ausbildung machen, der sich für Bier interessiert?

Betz: Wenn man viel Interesse für Bier mitbringt, auf jeden Fall. Man muss natürlich sensorisch feinfühlig sein. Wenn man mit Aroma wenig anfangen kann, wird es schwierig. Aber grundsätzlich spricht nichts dagegen. Die Nachfrage wird auch immer größer. (Alex Stranig, RONDO, 20.11.2015)