Wien – Angeklagter Helmut H. eiert nicht herum. "Ich war Nationalsozialist", erklärt er Stefan Apostol, dem Vorsitzenden im Geschworenenprozess wegen Wiederbetätigung gegen den 45-Jährigen. Allerdings: Das habe 2006 gegolten, als er ein einschlägiges Forum finanziell unterstützte und dort neun ebenso einschlägige Meldungen veröffentlichte. Heute sei das anders.

Es gehört für die meisten geständigen Angeklagten zum Standardprogramm, den reuigen Sünder zu spielen. In diesem Fall scheint es aber so zu sein, dass H. entweder von Verteidiger Michael Dohr gut gecoacht wurde – oder sein Weltbild tatsächlich verändert hat.

"Ungeheuer in Uniform"

2006 gab es keine Zweifel. Er nannte sich im Internet GFM (für Generalfeldmarschall) Schörner. Der trug in der Realität den Vornamen Ferdinand und wurde selbst von CSU-Politiker Franz Josef Strauß aufgrund seiner Härte und seines Fanatismus als "Ungeheuer in Uniform" bezeichnet.

"Mein Großvater hat unter ihm gedient und war überzeugt davon, dass Schörner ihm das Leben gerettet hat", sagt H. nun. Überhaupt, der Großvater: Der sei sein Lebensmensch gewesen, und den Angeklagten hätten die Angriffe auf dessen Generation geärgert.

H., der mittlerweile Diplomingenieur ist, referiert durchaus reflektiert, wie er sich radikalisierte und begann, von der "jüdischen Brut" und dem "Holocaustschwindel" zu schreiben.

"Man glaubt, was man glauben will"

"Ich habe als Kollektivist nur noch in Völkern und Gruppen gedacht." Und nicht in Individuen. Er geriet immer tiefer in die Szene. "Man glaubt, was man glauben will": geschichtsrevisionistischen Gutachten schon, seriösen Historikern und den Medien nicht.

Wann genau sich seine Meinung zu ändern begann, kann er nicht sagen. Aber er entdeckte, dass angebliche "Fakten" der rechten Geschichtsklitterer schlicht falsch sind. "Die Volksgemeinschaft ist eine Fata Morgana", beteuert er jetzt.

Linksliberal ist H. noch immer nicht. Von Beisitzer Georg Olschak wird er etwas in die Enge getrieben, als es um die Attentäter vom 20. Juli 1944 geht oder um die Frage, wie viele Menschen im Holocaust vernichtet wurden. H. würde sich schon mehr Diskussionen über Details wünschen. Dass es die Shoa ebenso wie Gaskammern gegeben hat, bejaht er aber, ohne zu zögern.

Bedingte Haft

Die Geschworenen folgen Staatsanwältin Stefanie Schön und verurteilen H. einstimmig und rechtskräftig zu 16 Monaten bedingter Haft. (Michael Möseneder, 19.11.2015)