Soziale Durchmischung in Silber und Gold: Der Doppelwohnturm "HOME" von Hamonic+Masson in Paris kombiniert freifinanzierte und geförderte Wohnungen im luxuriösen Look.

Foto: Takuji Shimmura

Ein Symposium der IG Architektur lud unter dem Titel "Less Quantity. More Quality? Smart wohnen: Situation und Perspektiven" vier internationale Architekten zum globalen Erfahrungsaustausch.

Foto: IG Architektur

Wie viel Wohnraum braucht der Mensch? Wie viel kann er sich leisten? Und ist das Wohnen auf kleinem Raum per se ein mangelhafter Kompromiss?

Klar ist: Angesichts des steigenden Missverhältnisses von Lebenshaltungs- und Baukosten und der Zunahme von Einpersonenhaushalten ist das "kleine Wohnen" brennend aktuell. In Wien läuft bereits das "Smart wohnen"-Programm für Jungfamilien, Paare, Alleinerzieher und Singles, mit Bruttomieten von maximal 7,50 Euro/m². 316 Wohnungen im Sonnwendviertel südlich des neuen Hauptbahnhofs werden dieses Jahr bezogen – mit Wohnungsgrößen von 40 bis 70 m².

Leistbare Angebote fehlen

Angesichts der für 2016 angekündigten Internationalen Bauausstellung (IBA) mit dem Thema "Sozial nachhaltiger Wohnbau im 21. Jahrhundert" (der STANDARD berichtete) ist weiteres Know-how gefragt. Ein Symposium der IG Architektur im Auftrag der Wiener MA 50 (Wohnbauforschung), das vor kurzem stattfand, lud unter dem Titel "Less Quantity. More Quality? Smart wohnen: Situation und Perspektiven" vier internationale Architekten zum globalen Erfahrungsaustausch und einer Standortbestimmung des leistbaren Wohnens.

Thomas Gluck vom Büro Gluck+ berichtete aus New York, wo Mietkosten durchschnittlich 58,4 Prozent des Einkommens ausmachen und Angebote für kleine, leistbare Wohneinheiten fehlen, während gleichzeitig in Manhattan Wohnhochhäuser für die Superreichen entstehen.

2013 startete die Stadt New York das "Making Room"-Programm, um Alternativen zu finden. Gluck+ entwickelten gestapelte "Micro-Lofts", die mit 23 Quadratmetern deutlich kleiner sind als die erlaubte Mindestgröße, dafür mit Gemeinschaftsflächen wie Bücherei, Waschküche, Dachgarten und Kino ergänzt werden.

Enger wird es auch im teuren Paris, wie Jean-Christophe Masson von Hamonic+Masson erzählte. Sozialwohnungen entstehen daher vor allem in den Arrondissements im Osten, wo die Bodenpreise weniger astronomisch sind.

Enorm wichtig sei daher, die soziale Durchmischung nicht zu verlieren. Ein Anfang dieses Jahres fertiggestellter Wohnbau von Hamonic+Masson beinhaltet Sozialwohnungen und freifinanzierte Wohnungen in zwei nebeneinanderstehenden Türmen. Unter den 188 Wohneinheiten sind 90 verschiedene Wohntypen, das Farbleitsystem aus Silber und Gold soll jeglichen Sozialwohnungslook vermeiden.

Breite Gänge und Terrassen

Atxu Amann y Alcocer von Amann.Canovas.Maruri aus Madrid betonte die Wichtigkeit von "in-between spaces", die weder zur Wohnung noch zum öffentlichen Raum gehören. Die von ihrem Büro geplanten Wohnanlagen tun das beispielsweise durch breite Gänge und große Gemeinschaftsterrassen in den oberen Geschoßen. So ließe sich auch eine kleine Wohnfläche ausgleichen, zumal sich gerade in Spanien, anders als früher, Frauen nicht mehr ausschließlich in der Wohnung aufhalten. Die klimatisch bedingt niedrigeren Baukosten in Spanien erleichtern zusätzlich die Möglichkeit, Außenbereiche herzustellen.

Weniger dicht und hoch wird zwar in Japan gebaut, wie Yasutaka Yoshimura aus Tokio berichtete, dafür führen die 500.000 Einzelhäuser, die pro Jahr in Japan gebaut werden, zu Problemen wie hohem Pendelaufwand. Ein Vorteil: Gewohnt, kleinen Wohnraum größer erscheinen zu lassen, sind die Japaner Experten im "Smart wohnen".

Wenn man Qualität aus dem Kleinen gewinnen will, seien es vor allem die Baukosten, bei denen Architekten ansetzen könnten, da die Grundstückspreise nicht beeinflussbar seien, so Thomas Gluck. "Als Ergänzung werden Freiräume wie Höfe und Terrassen immer wichtiger und begehrter."

Auch in Spanien setzt man auf Qualitäten außerhalb der Wohnung: "In der Zukunft wird sich das Zuhause über die Stadt erstrecken", sagte Atxu Amann y Alcocer. "Wir werden auf kleinerem Raum wohnen, uns aber mehr Gemeinschaftsflächen teilen. Die klassische Familie gibt es schon heute nur noch in 50 Prozent der Wohnungen. Lebensumstände ändern sich ständig, die Wohnungen müssen darauf reagieren können. Manche werden keine Küchen brauchen, anderswo wohnen vielleicht 20 bis 30 Leute zusammen."

Soziale Nachhaltigkeit

Sich Räume zu teilen, das sei auch in Japan ein aktuelles Thema, sagte Yasutaka Yoshimura – auch wenn diese Räume aufgrund der schrumpfenden Bevölkerung dort eher größer als kleiner werden.

Höchste Priorität in allen Metropolen hat angesichts dieser Umbrüche die soziale Nachhaltigkeit und Durchmischung – darin waren sich alle Redner einig. "Die räumliche Verteilung von privatem und gefördertem Wohnbau ist politische Entscheidung", betonte Jean-Christophe Masson. "Auch für die Qualität im Wohnbau braucht es eine gewisse Großzügigkeit. Hier kann sich die Politik nicht auf den Sparzwang zurückziehen."

Zu guter Letzt, so die vier Architekten, bringe eine gute Planung von Grundrissen, Freiräumen und Gestaltung den Bewohnern einen enormen Mehrwert. Gesetzlich vorschreiben ließe sich gutes Design jedoch nicht. (Maik Novotny, 21.11.2015)