Ein österreich-amerikanisches Forscherteam hat mehrere Metastudien über Winterdepression untersucht – für die Wirksamkeit von Lichttherapie gibt es noch keinen direkten Nachweis.

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EbM-Experte Gerald Gartlehner nimmt für derStandard.at regelmäßig aktuelle Studien unter die Lupe.

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Tag für Tag wird es früher dunkel, und auch in diesem ungewöhnlichen November wird sich die Sonne letztlich immer weniger zeigen. Etlichen Menschen schlägt die trübe Jahreszeit aufs Gemüt, sie fühlen sich missmutig und sehnen sich nach Sonne und Süden. Etwa einer von 40 Österreichern schlittert sogar in eine schwere Winterdepression.

Der Grund dafür ist das fehlende Tageslicht. Zusätzlich zur gedrückten Stimmung empfinden Betroffene oft eine bleierne Müdigkeit und Heißhunger auf Süßspeisen. Scheint die Sonne im Frühling wieder länger, ist der Spuk schnell vorbei. Zumindest für ein halbes Jahr, denn bei vielen kehren die Depressionen Herbst für Herbst wieder.

Lichttherapie mit Haken

Wenn Lichtmangel als Ursache feststeht, was wäre logischer, als Licht auch zur Therapie anzuwenden? Nicht alle können sich einen langen Urlaub in der sonnigen Südsee leisten – doch Lichttherapie-Geräte gibt es überall zu kaufen. Zu Hause aufgestellt, sollen sie helfen, den Sonnenmangel in der dunklen Jahreszeit auszugleichen. Diese Lampen strahlen sehr helles, weißes Licht aus, das tausendmal stärker ist als das einer herkömmlichen Glühbirne.

Die Sache hat nur einen Haken: Hersteller von Lichttherapielampen müssen nicht nachweisen, dass ihre Geräte auch tatsächlich etwas bewirken. Dementsprechend gibt es kaum gutgemachte Studien dazu. Wie gut die Geräte helfen, weiß niemand so genau.

Ob eine vorbeugende Lichtbehandlung verhindern kann, dass Anfällige wie im Jahr zuvor wieder in ein seelisches Loch fallen, ist unklar. Es gibt lediglich vorsichtige Anzeichen, dass Lichttherapie eine bereits bestehende Winterdepression lindern kann. Bekannt ist nur, dass das helle Licht der Therapielampen auch unerwünschte Folgen haben kann. Diese reichen von Lichtüberempfindlichkeit über Kopfweh, Reizbarkeit, Müdigkeit bis hin zu Schlafstörungen, wenn die Behandlung zu spät im Tagesverlauf erfolgt.

Antidepressiva statt Sonne?

Verlässliche Studienergebnisse gibt es nur für Medikamente. Denn wollen Pharmafirmen ihre Mittel auf den Markt bringen, müssen sie in klinischen Studien einwandfrei nachweisen, dass diese auch wirken. Demzufolge ist das Antidepressivum Bupropion das einzige Medikament, das zur Vorbeugung von Winterdepressionen zugelassen ist.

Ein Wundermittel ist es jedoch keinesfalls. Bupropion kann nur eine von acht Personen vor einer depressiven Phase in der dunklen Jahreszeit bewahren. Die restlichen sieben haben nichts davon – außer Nebenwirkungen, und die sind beträchtlich: Übelkeit, Kopfschmerzen und Schlafstörungen. Immerhin ist das Medikament unter den Antidepressiva jenes, das die Erektionsfähigkeit am wenigsten beeinträchtigt. Ob es sich auch zur Behandlung einer bereits bestehenden Winterdepression eignet, ist nicht untersucht.

Der Therapiekunde ist König

Gar nichts wissen wir über andere Methoden der Vorbeugung. Ob etwa Psychotherapie verhindern kann, in eine Winterdepression zu rutschen, ist in Studien nicht ausreichend untersucht. Auch Behandlungen, die die körpereigene Produktion des Schlafhormons Melatonin beeinflussen, sind kaum erforscht.

Fehlendes Wissen über die Wirkung heißt jedoch nicht, dass eine Behandlung wirkungslos ist. Eine Lichttherapie im Herbst etwa hat vielleicht das Potenzial, anfällige Personen im Winter vor dem Abrutschen in die Depression zu bewahren – wir wissen es einfach nicht. Betroffene sollten daher mitbestimmen, welche Therapie für sie am geeignetsten ist. Denn jeder Mensch hat andere Wünsche und Vorlieben – auch was die Nebenwirkungen betrifft. (Gerald Gartlehner, 20.11.2015)