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70.000 Tonnen Essen könnten in Wien jährlich verschenkt statt weggeworfen werden.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wien – Es gibt viele Gründe, unverdorbenes Essen wegzuschmeißen: Die fünf Kilo Marillen, die die Oma aus dem Garten mitgebracht hat, müssten eingekocht werden, doch dazu fehlt die Zeit. Oder man hat den Wocheneinkauf schon erledigt, fährt dann aber doch spontan weg. Vieles, das noch genießbar wäre, landet auch deshalb im Müll, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist.

40 Kilo Lebensmittel werfen die Wienerinnen und Wiener durchschnittlich pro Kopf und Jahr weg, informiert die Stadt auf ihrer Homepage wien.gv.at. Das sind insgesamt rund 70.000 Tonnen jährlich. Und österreichweit wirft jeder Haushalt Essen im Wert von 300 bis 400 Euro jährlich weg. Dem stehen allein in Wien laut Erhebungen der Statistik Austria 392.000 armutsgefährdete Menschen gegenüber.

Um gegen diesen Missstand vorzugehen, erforscht das Österreichische Ökologie-Institut gemeinsam mit der Technischen Universität Wien in einem zweijährigen Projekt, wie es gelingen kann, sogenannte "Urban Food Spots" in der Stadt zu etablieren – also öffentliche Kühlstationen, in die nicht benötigte Esswaren hineingestellt, dort gekühlt und daraus nach Belieben sowie kostenlos entnommen werden können. Das Projekt wird vom Verkehrsministerium und der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterstützt.

Vergleichbare, bereits existierende Initiativen sind Online-Foodsharing-Plattformen oder "Fairteiler": Bei Letzteren handelt es sich um Kühlschränke oder Regale, die in Geschäften oder Cafés zum kostenlosen Deponieren und Abholen von Essen zur Verfügung stehen. Auch dort steht die Idee im Mittelpunkt, Nahrung aus sozialen und ökologischen Motiven nicht zu verschwenden.

Hürden abbauen

Der Zugang zu "Fairteilern" sei aber durch die Öffnungszeiten der beherbergenden Einrichtungen eingeschränkt, sagt Projektleiterin Maria Kalleitner-Huber im STANDARD-Gespräch. Die "Spots" seien zudem als Ergänzung zu Angeboten wie der Wiener Tafel oder den Sozialmärkten gedacht. Denn: Dass ein Einkommensnachweis nötig ist, um in einem Sozialmarkt einkaufen zu dürfen, könne bereits eine Hürde darstellen.

"Urban Food Spots" sollen hingegen jederzeit, möglichst einfach und für alle zugänglich sein – auch ein flächendeckender Einsatz wird nicht ausgeschlossen.

Gleichzeitig sei alles, was sich im öffentlichen Raum befindet, anfällig für Vandalismus. Ein Registriersystem, ähnlich jenem für Citybikes, sei deshalb angedacht. Doch auch das könne eine Hürde sein, so die Projektleiterin. Wie genau ein "UFS" aussehen und funktionieren könnte, um akzeptiert zu werden, erarbeite man gemeinsam mit potenziellen Nutzern.

Die Forscher widmen sich auch ökologischen Fragen. Bei der Konzeption werde auf Materialfragen und Energieaufwand bei Herstellung und Betrieb eingegangen. Eine Ausstattung mit Solarzellen werde geprüft. Und würde das Essen, das jetzt im Müll landet, verwertet, sei das "CO2-Einsparungspotenzial enorm", meint Kalleitner-Huber. Das wolle man im nächsten Schritt, der Prototypenphase, genau berechnen.

Kein rohes Fleisch

Weitere Forschungsfragen drehen sich um Lebensmittelrechtliches und Hygiene: Rohes Fleisch darf etwa nicht deponiert werden; Sensoren könnten vor Schimmel warnen. Auch rund um die Betreuung stellen sich einige Fragen: Wie viel Wartung braucht ein "UFS"? Würden sich Menschen ehrenamtlich darum kümmern, wie bei einem Gemeinschaftsgarten? Wie entsteht eine lebendige Community um die "Spots"?

Ziel des Forschungsprojekts sei – so Kalleitner-Huber -, die Grundlagen zur praktischen Umsetzung zu schaffen und mögliche Partner für die nächste Phase zu finden: Prototypen bauen, in der Stadt aufstellen und ausprobieren. (Christa Minkin, 21.11.2015)