Ein Hamas-Sniper mit einem Steyr-ähnlichen Scharfschützengewehr

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Auf dem Sklavenmarkt im IS-Gebiet werden Glock-Pistolen gegen Sklavinnen gehandelt

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Die Echtheit des Videos kann nicht endgültig verifiziert werden

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Ein zehnjähriger IS-Kindersoldat mit einem Steyr-ähnlichen Gewehr (die Waffe lässt sich aufgrund des Bildausschnitts nicht definitiv zuordnen)

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Das wackelige Handyvideo soll einen "Sklavenmarkt" im Gebiet der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) zeigen. Gehandelt wird mit entführten Jesidinnen und Waffen. Für eine Sexsklavin sei er bereit, seine Glock-Pistole einzutauschen, bietet ein Terrorist seinen Mitstreitern an. Das Video zeigt nicht nur die menschenverachtende Denkweise des IS, sondern auch die Popularität der österreichischen Glock-Pistolen. Veröffentlicht wurde der Clip von kurdischen Kämpfern, die das Smartphone eines getöteten IS-Terroristen fanden. Internationale Medien wie die New York Times erachten das Video als authentisch.

Glock, Steyr-Mannlicher und Hirtenberger

Doch Glock-Pistolen sind nicht die einzigen Waffen mit Österreich-Bezug, die beim IS und anderen Terrorgruppen beliebt sind. Auch Gewehre von Steyr-Mannlicher oder Hirtenberger-Granaten sind neben internationalen Dauerbrennern wie der russischen Kalaschnikow in der Ausrüstung der Gotteskrieger zu finden. Das berichtet Nic Jenzen-Jones von Armament Research Services (Ares) dem STANDARD. Ares ist ein privater Nachrichtendienst, der mit Kriegsreportern, Hilfsorganisationen und lokalen Quellen zusammenarbeitet, um Informationen zur Ausrüstung von Konfliktparteien zusammenzutragen.

"Waffen und Munition aus Österreich haben wir etwa in Libyen, Syrien, der Ukraine, in Mali und dem Irak dokumentiert", sagt Jenzen-Jones. Auch in Afghanistan spielen Waffen aus österreichischer Produktion eine Rolle, bestätigen Geheimdienstkreise auf Nachfrage.

Schwarzmarkt boomt

Waffen landen trotz mittlerweile strenger Auflagen regelmäßig auf dem Schwarzmarkt. Das gilt in der Waffenbranche als ebenso bitteres wie offenes Geheimnis. Friedensaktivisten wie Amnesty International bemängeln allerdings, dass westliche Staaten nach wie vor Rüstungsgüter an aktive Konfliktparteien und korrupte Regierungen exportieren.

In Österreich sind gleich drei Ministerien dafür zuständig, dass Waffen nicht in die Hände von Terroristen oder Diktatoren fallen: Jeder Export muss vom Wirtschaftsministerium abgesegnet werden. Außen- und Verteidigungsministerium werden ebenfalls konsultiert, erst bei dreifach grünem Licht darf der Handel stattfinden. Die Regierung soll sich laut Außenhandelsgesetz an der Menschenrechtssituation im Zielland orientieren. Zwei Vorfälle aus dem vergangenen Jahrzehnt stellen die Kontrollmechanismen allerdings infrage. Einer geschah unter Federführung der USA, für den anderen hagelte es US-Sanktionen gegen ein heimisches Unternehmen.

Glock für irakische Polizei

Juni 2008: Die türkische Regierung ist empört. Erneut hatten Polizisten bei mutmaßlichen Al-Kaida-Mitgliedern österreichische Waffen entdeckt. Woher kommen die fünf Glock-Pistolen? Wien gibt Ankara nach Prüfung der Seriennummern Bescheid, dass die Waffen den USA gehörten. Das geht aus diplomatischen Cables hervor, die Wikileaks publiziert hat. Die USA hatten nach dem zweiten Irak-Krieg rund 138.000 Glock-Pistolen für den Aufbau der irakischen Polizei verwendet. Die Entscheidung für Glock, die US-Waffenproduzenten massiv verärgerte, überrascht nicht: In den USA ist eine Vielzahl von Polizei- und Spezialeinheiten mit Glock-Pistolen ausgerüstet. Die irakischen Sicherheitskräfte galten jedoch schnell als korrupt. Eine Untersuchungskommission der USA schätzt, dass vier Prozent aller Waffen schon vor der Auslieferung verschwunden sind. Außerdem sollen irakische Polizisten ihre Pistolen auf dem Schwarzmarkt verkauft haben. Das ist einer der Wege, durch den Glock-Pistolen zur Terrormiliz IS gelangt sein können.

Abwanderungsdrohungen

Im Frühjahr 2007 untersagt die österreichische Regierung Glock den Export in den Irak. Aus einer parlamentarischen Anfragebeantwortung geht hervor, dass Glock deshalb mit einer Abwanderung in die USA gedroht hat. Ein Vorgang, der die Schwierigkeiten mit Exportkontrollen aufzeigt: Ist die Regierung zu streng, wird aus "made in Austria" ein "Made in USA" – und möglicherweise gehen Arbeitsplätze verloren. Um die Produktion in die USA zu verlagern, hätte Glock allerdings einen Technologietransfer beantragen müssen. Die Regierung hätte festlegen können, dass Glock in den USA nur für den US-Markt produzieren darf. Ob das geschehen ist, bleibt unklar. Das Wirtschaftsministerium verweist auf das "Geschäftsgeheimnis" von Glock, der Waffenproduzent will sich trotz mehrfacher Nachfrage nicht äußern.

Sniper-Gewehre an den Iran

Der zweite Fall von Waffenexporten in den Nahen Osten betrifft mit Steyr-Mannlicher den neben Glock bekanntesten österreichischen Waffenproduzenten. Diesmal war es allerdings die US-Regierung, die heftig protestierte. Vor elf Jahren, im November 2004, bewilligte die Regierung die Lieferung von 800 Scharfschützengewehren an den Iran. Damit sollten Spezialeinheiten im Bereich Drogenkriminalität ausgerüstet werden. Obwohl der UN-Sicherheitsrat zu diesem Zeitpunkt noch keine Sanktionen gegen den Iran ausgesprochen hatte – diese folgten aufgrund des umstrittenen Atomprogramms erst 2006 -, stieß der Deal international auf scharfe Kritik. Die exportierten HS-0.50-Gewehre sind in der Lage, Ziele auf zwei Kilometer präzise zu treffen und könnten in falschen Händen daher großen Schaden anrichten.

Kopien erstellen

Laut Jenzen-Jones von der Beobachtungsstelle Ares war der Iran durch die gelieferten Gewehre tatsächlich in der Lage, Kopien der Scharfschützengewehre herzustellen. Diese Kopien sollen mittlerweile im Irak und in Syrien sowie bei den palästinensischen Terroristen der Hamas aufgetaucht sein. Im Sommer 2014 machte ein Video die Runde, das Hamas-Kämpfer mit einem HS-0.50-Klon zeigte. Die Washington Post berichtete, dass diese Gewehre mit ein Grund für die Einrichtung einer Pufferzone an der israelischen Grenze gewesen seien. Steyr-Mannlicher gibt auf Anfrage des STANDARD an, keine Informationen über HS-0.50-Kopien zu besitzen. Eine derartige Exportgenehmigung würde laut Steyr "heute sicher nicht mehr erteilt werden". Nachdem weitere Lieferungen an den Iran untersagt wurden, wollte Steyr die Produktion von Kriegsmaterial mit malaysischen Partnern durchführen. Der Deal scheiterte, Steyr-Mannlicher hat mittlerweile Eigentümer und Management gewechselt.

Österreichisches Dilemma

Diese zwei Fälle stehen exemplarisch für die schwierige Situation der österreichischen Rüstungsbranche. Laut Reinhard Marak von der ARGE Sicherheit in der Wirtschaftskammer hat die Branche eine Exportquote von über neunzig Prozent. "Die Unternehmen könnten ohne Exporte nicht überleben", sagt Marak. Er verweist darauf, dass auf europäischer Ebene ein Code of Conduct geschaffen wurde. Eine klarere Angleichung nationaler Exportkontrollen in Europa sei eine sinnvolle Maßnahme, so Marak, der die österreichischen Kontrollen als "sehr streng" bezeichnet.

Auch Amnesty International setzt auf internationale Abkommen. Die Nichtregierungsorganisation lobt den neuen Waffenhandelsvertrag der Vereinten Nationen, der ebenso zufällig wie unabsichtlich symbolisch zu Heiligabend 2014 in Kraft getreten ist. Allerdings gibt es laut Amnesty Verbesserungspotenzial: Die Aktivisten fordern mehr Transparenz bei Entscheidungen über Exportkontrollen. Diese werden in den meisten europäischen Staaten nur anonymisiert berichtet, um Geschäftsgeheimnisse zu schützen.

Deutschland unter Top-Exporteuren

Auf die politische Agenda gelangte das Thema vergangenen Sommer vor allem in Deutschland. Daten aus dem deutschen Wirtschaftsministerium zeigten, dass sich der Wert der Rüstungsexporte im Vergleich zum Vorjahr verdoppeln dürfte. An arabische Staaten und nach Nordafrika lieferten deutsche Waffenproduzenten Güter im Wert von 587 Millionen Euro, im Vorjahr lag diese Summe bei 219 Millionen Euro. Wirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), der für Exporte zuständig ist, hatte Deutschlands Rolle als Waffenexporteur bei seinem Amtsantritt 2013 noch als "Schande" bezeichnet. Von den Oppositionsparteien hagelte es nun auch angesichts der Flüchtlingsproblematik heftige Kritik. Der Bundestagsabgeordnete Jan van Aken (Die Linke) nannte die Daten "hochnotpeinlich", für die Grünen legt die deutsche Regierung "mehr Wert auf die Interessen der Rüstungslobby als auf Menschenrechte".

"Verlorene" Waffen

Erst in der vergangenen Woche wurde bekannt, dass die USA Equipment im Wert von einer halben Milliarde Dollar verloren haben – ausgerechnet im Jemen, in dem ein Bürgerkrieg wütet. Doch selbst bei strikten Kontrollen gibt es genug Kriegsmaterial, das aus Armeebeständen "verschwunden" ist. So berichtete profil über Steyr-Gewehre beim IS, die aus alten saudischen Beständen stammen könnten. Das Unternehmen wollte sich "an Spekulationen nicht beteiligen". Auch in Syrien gibt es österreichische Waffen, sogar in Spezialanfertigung: In den 1980er-Jahren hatte der damalige Diktator Hafez al-Assad eigens angefertigte Glock-Pistolen für seine Präsidentengarde erworben. (Fabian Schmid, 22.11.2015)