In Italien gibt es Glühwein der anderen Art. Im heißesten Sommer seit mehr als hundert Jahren hat die Weinernte auf der Apenninenhalbinsel nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Rekorde geschlagen. Die warmen Temperaturen haben den Prosecco-Winzern, den Herstellern des Sprudelweins, eine gegenüber dem Vorjahr um knapp ein Drittel erhöhte Ernte beschert.
Weinkenner und Präsident der Region Venetien, Luca Zaia, bestätigt eine "Prosecco-Ernte des Jahrhunderts", mit exzellenter Qualität. "Wir schlagen heuer nicht nur in der Produktion, sondern auch im Konsum den französischen Rivalen Champagner", gibt sich der Präsident des Konsortiums der Prosecco-Produzenten, Stefano Zanette, zufrieden. 2015 sollen 485 Mio. Prosecco-Flaschen abgesetzt werden gegenüber 307 Mio. Champagnerflaschen im Vorjahr.
Frankreich überholt
Mit einer Produktion von 48,9 Millionen Hektolitern hat Italien heuer erstmals Frankreich (46,45 Mio. Hektoliter) auf Platz zwei verdrängt. Abgeschlagen auf Platz drei rangiert Spanien mit 36,8 Millionen Hektolitern.
Für Italien ist es die höchste Produktion seit dem Jahr 2004, als noch 53 Millionen Hektoliter erzeugt wurden. Die vier wichtigsten Weinregionen Toskana, Venetien, Piemont und Lombardei bestätigen hervorragende Qualität. Einziger Wermutstropfen ist der inländische Konsum, der in den vergangenen fünf Jahren um 18 Prozent zurückgegangen ist.
Exportrekord
Nicht nur das Wetter kam den Winzern zugute – die Weltausstellung Expo hat Italiens Weinwirtschaft Rückenwind verliehen. Allein im Weinpavillon verkosteten 1,5 Mio. Besucher italienische Weine. "Wir haben den Weinliebhabern hier vor allem die Geschichte des italienischen Weins, die Kultur und die wirtschaftliche Bedeutung des italienischen Weins vermittelt", sagte Landwirtschaftsminister Maurizio Martina. Die Exporte würden heuer die Fünf-Milliarden-Umsatzgrenze überschreiten, ein neuer Rekord. Insgesamt setzt die Weinwirtschaft in Italien 15 Mrd. Euro um.
Ebenso wie die Modeunternehmen benötigen auch die Weinhersteller frisches Kapital, um zu expandieren und in Innovation zu investieren. Masi Agricola, der Hersteller des bekannten Rotweins Amarone mit einem Umsatz von 60 Millionen Euro, hat zu Jahresmitte den Börsengang gewagt und 30 Millionen Euro eingesammelt. Am Montag wird der Gambero Rosso, Italiens bekanntester Weinführer, an die Börse gehen. Und die Cantine Ferrari, der famose Schaumweinhersteller aus Trient, denkt ebenfalls über einen Börsengang nach.
Italiens Weinanbau geht auf die Römer zurück. Das ist allgemein bekannt. Aber wer wusste schon, dass auch der Maler des Letzten Abendmahls und Erfinder des Bewässerungssystems von Mailand, Leonardo da Vinci, selbst Wein angebaut hat: im Weingarten gegenüber dem Dominikanerkloster Santa Maria delle Grazie, in dem er sein berühmtes Gemälde Das letzte Abendmahl schuf. Dieser Weingarten mit Leonardos Wohnung mitten in Mailand steht inzwischen als "Le Vigne di Leonardo" dem Publikum offen. (Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand, 22.11.2015)