An Schulen bereiten nicht nur Rechtschreibfehler Sorgen: Manche Schüler kokettieren mit Islamismus – und machen Fotos mit IS-Zeichen.

Foto: Robert Newald

Schuldirektor Klar registriert ein "konservatives, fast rassistisches Islamverständnis": "Aus ,Geh' scheißen' wurde ,Allahu Akbar'."

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Wien – Es waren junge, kräftige Männer, die an einem Freitag vor der Franz-Jonas-Schule in Floridsdorf auftauchten. Weiße Häkelmützen trugen sie und jene langen Kleider, wie sie in radikalislamischen Kreisen üblich sind. Um Kontakt zu den Kindern mussten sich die Besucher nicht lange bemühen, erzählt Schuldirektor Christian Klar: "Sie wurden umringt wie die Popstars."

Die mutmaßlichen Anwerber konnte Klar vor Monaten mit einem Ruf nach der Polizei vertreiben, ihre Ideologie hingegen nicht. Seit einigen Jahren, erzählt er, mache sich in der neuen Mittelschule, die an sich auf ihr "familiäres" Klima stolz ist, "ein konservatives, fast rassistisches Islamverständnis" breit. "Durchgesetzt wird es zum Teil mit massivem Druck bis hin zu Mobbing."

Mädchen in die Ecke gedrängt

Erlebt habe dies etwa jenes Mädchen, das ein Referat über die Anschläge auf das Pariser Satiremagazin Charlie Hebdo hielt – Morde "im Namen des Glaubens", wie sie feststellte. In der Pause sei sie von 25 Mitschülerinnen und -schülern in die Ecke gedrängt und mit Vorwürfen überhäuft worden: "Warum beleidigst du den Islam?"

Immer wieder wechselten Mädchen schlagartig vom Minirock zum Kopftuch, eine Schülerin sei eines Tages sogar mit einer Burka aufgetaucht. Spricht Klar darauf die Väter und Mütter an, blicke er oft in verdutzte Gesichter. "Das Elternhaus ist nicht die treibende Kraft", glaubt er. "Der Islam ist ein echter Jugendkult geworden, da eifert einer dem anderen nach."

Habe ein Hauptschullehrer früher gelegentlich mit einem "Geh' scheißen" rechnen müsse, fliege einem nun ein zorniges "Allahu Akbar" entgegen – mitunter auch aus Urwiener Mund, erzählt der Direktor. Gut durchmischt sei auch jenes Grüppchen gewesen, das bei einem Besuch der Uno-City das Sicherheitspersonal aufschreckte: Für ein Selfie hatten die Burschen nach Manier der Terroristen vom "Islamischen Staat" den Zeigefinger emporgestreckt.

Probleme mit Faust lösen

Nur oberflächliche Posen? Das traut sich Klar nicht für alle Schützlinge behaupten. Von rund 300 Schülern stammen 30 bis 40 aus Tschetschenien – eine Gruppe, die nach der Erfahrung des Direktors zwei Extreme berge. Während der eine Teil äußerst "bildungshungrig" sei, tendiere der andere nicht nur dazu, Probleme mit der Faust zu lösen. Tschetschenische Kids seien es auch, die islamistisches Gehabe am offensivsten in die Klassen trügen.

Glaubt man der Polizei, dann fehlt es in der tschetschenischen Community nicht an einschlägigen Vorbildern. Laut Verfassungsschutz zählen die Zuwanderer aus dem Kaukasus zu jenen Gruppen, die für radikalen Islamismus am empfänglichsten sind. Von 250 Menschen, die bisher von Österreich aus zum Jihad in den Nahen Osten aufbrachen, stammt die Hälfte aus Tschetschenien.

Gewalt und keine Bildung

"Mich wundert das gar nicht", sagt Khuseyn Iskhanov. Vor zwölf Jahren war er, einst Abgeordneter seiner Republik, selbst vor den russischen Truppen nach Österreich geflüchtet – und ebenso lange warne er vor der radikalen Saat, die in den Köpfen mancher Landsleute sprieße: "Ich fürchte, dass alles noch schlimmer wird."

Warum gerade die Tschetschenen? "Schauen Sie die Biografien an", empfiehlt Iskhanov. Massive Gewalt hätten die Kinder aus dem Kaukasus erlebt, 80 Prozent der Väter seien tot oder in Haft. Die Flucht über mehrere Etappen – ein paar Jahre Aserbaidschan, ein paar Jahre Osteuropa – habe einen Schulabschluss unmöglich gemacht. Orientierungslos hingen Jugendliche nun in den Parks ab – und fielen mitunter auf den Ruf herein, im Jihad dem Heldentum des Vaters nachzueifern.

Die Tschetschenen meidet jeder

"Man hat die Tschetschenen alleingelassen", sagt Iskhanov, der den von ihm gegründeten Kulturverein Ishkeria zum sozialen Zentrum für Jugendliche ausbauen will. Doch bislang scheitert das Projekt am fehlenden Raum, bei der Politik blitzte der Initiator ab. Obwohl die Radikalen nur eine kleine Minderheit der 30.000 Tschetschenen im Land stellten, sei der Ruf der Volksgruppe ruiniert, sagt er: "Mit uns will niemand etwas zu tun haben."

Therapeutische Hilfe für Kriegstraumatisierte vermisst der Politologe Thomas Schmidinger; Anbieter wie der Verein Hemayat seien völlig überlastet. Schmidinger selbst hat mit seinem Kollegen Moussa Al-Hassan Diaw das Netzwerk sozialer Zusammenhalt gegründet – um jene Entfremdung zu bekämpfen, die als gemeinsamer Nenner potenzieller jugendlicher Jihadisten gilt.

Das Kopftuch einmotten

Mit den Kindern der Franz- Jonas-Schule hat das Deradikalisierungsnetzwerk bereits einen Workshop abgehalten, Direktor Klar beteiligt sich überdies am Dialog der Glaubensgemeinschaften im Bezirk. "Ich will auch nicht dramatisieren", sagt er, "wir sind noch lange keine Hochburg des Islamismus und kriegen das in der Schule schon hin."

Von der Schulbehörde fühlt sich Klar dabei gut unterstützt, von der Politik weniger. Religiöser Extremismus müsse ebenso entschlossen bekämpft werden wie Rechtsradikalismus, fordert er und wünscht sich mehr Durchgriffsrechte. Die Burka sei nach einem forsch ausgesprochenen Verbot eingemottet worden, doch eigentlich habe das Kopftuch in den Klassen genauso wenig verloren. "Ich will die Religion aus der Schule draußen halten", sagt Klar. "Und ich habe kein Problem, wenn das auch den katholischen Religionsunterricht trifft." (Gerald John, 22.11.2015)