
Ein weißes Hemdchen mit Brusthaaren: Jana Sterbak beschäftigt sich in ihrer Kunst oft mit geschlechtsspezifischen Normierungen und Rollenzuschreibungen: "Distraction" (1992).
Gäbe es einen Preis für Wiener Galerien, die sich mit feministischen Themen befassen, die Galerie Steinek hätte ihn längst erhalten: Zum einen gibt es dort ein Bemühen um eine gleichberechtigte Vertretung und Präsentation von Künstlerinnen (u. a. Dorothy Iannone, Ilse Haider, Carol Rama); zum anderen werden in regelmäßigen Abständen jene Themen verhandelt, um die sich die feministische Debatte seit den 1960er-Jahren dreht.
In der aktuellen Präsentation vivace (frz. für lebendig, ausdauernd) wurden einmal mehr vier Künstlerinnen versammelt, die sich auf sehr kritische, selbstbewusste, aber auch ironische Weise mit Körper, Identität und Sexualität beschäftigen. Neben Arbeiten der Wienerin Renate Bertlmann, der deutschen Künstlerin Gloria Friedmann und der in Prag geborenen Jana Sterbak zeigt man etwa auch Werke von Natalia LL, die in Polen zu den Ikonen der feministischen Kunst zählt.
Durchaus vergleichbar mit Valie Export irritierte auch sie das Publikum mit ihren Aktionen. In der Ausstellung wird etwa ihre Fotoarbeit Post Consumer Art präsentiert: eine Porträtserie von 1975, in der die 1937 geborene Künstlerin mit halboffenem Mund den Gesichtsausdruck einer Frau bei einem Blowjob imitiert. "Unerhört" wirkt die Darstellung aber nicht nur wegen des pornografisch anmutenden Sujets; mutig war vor allem die darin angelegte Zweideutigkeit: Einerseits stellt sie weibliches Begehren aus, andererseits formuliert sie Kritik an konsumistischer Pornokultur.
Von Natalia LL, die bis heute ungebrochen aktiv ist, ist überdies eine Farbfotoserie aus den späten 1970ern zu sehen. In Animal Art, einer performativ angelegten Reihe, liegt die Künstlerin in Pelze gehüllt auf einem Sofa. Einmal mehr geht es ihr hier um weibliche Sexualität, damit verbundene Assoziationen sowie den (reiferen) weiblichen Körper.
Dass dieser gesellschaftlichen Zurichtungen unterliegt, ist auch in Distraction (1992) von Jana Sterbak (geb. 1955) Thema. In einer Vitrine liegen ein Unterhemd, auf dem Brusthaare zu sehen sind, sowie ein wie eine Zwangsjacke geschnittenes Herrenjackett. Die Objekte waren Utensilien einer Performance, in der es ebenso um Rollenzuschreibungen wie um geschlechtsspezifische Normierungen ging.
Vermessen des Körpers
Während Sterbak die 1990er-Jahre repräsentiert, stimmt Gloria Friedmann (geb. 1950) auf die 1980er-Jahre ein. Von ihr ist eine Serie von später in poppigen 80er-Farben nachkolorierten Schwarz-Weiß-Fotos zu sehen. Fernseher und Requisiten wie Vorhänge oder Hula-Hoop-Reifen sind Teil ihrer grandiosen Selbstinszenierungen, in denen es um das Vermessen des eigenen nackten Körpers, aber auch um die Herstellung eines weiblichen Erfahrungsraums geht.
Seit mehr als 40 Jahren ist auch Renate Bertlmann (geb. 1943) mit all diesen Themen befasst. Bislang leider etwas unterbeleuchtet (die Sammlung Verbund widmet ihr 2016 jedoch eine Retrospektive), ist die scharfe Kritikerin der patriarchalen Gesellschaft nun allerdings in der Schau The World Goes Pop in der Tate Modern vertreten – eine tolle Auszeichnung. In Wien ist neben älteren Zeichnungen ihre Kaktus-Installation (1999) zu sehen. Mit Dildos besetzt, ist diese zwar sehr plakativ, aber hinsichtlich des Phallozentrismus schlichtweg unmissverständlich. (Christa Benzer, Album, 21.11.2015)