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Matthias Müller

Foto: APA/Julian Stratenschulte

Wolfsburg – In Deutschland hat die technische Prüforganisation TÜV Nord wegen der Volkswagen-Abgasaffäre die deutsche Regierung kritisiert. Sie habe den Prüfern auf Drängen der Automobilindustrie untersagt, die Motorensoftware zu untersuchen.

"Wir haben leider gesetzlich keinerlei Möglichkeit, Einblicke in die Motorsteuerung und die dort verbaute Software der Fahrzeuge zu nehmen", sagte TÜV-Nord-Chef Guido Rettig der Zeitung "Die Welt". "Aus diesem Grund hatten unsere Sachverständigen keine Chance, die Manipulationen bei Stickoxiden von Dieselfahrzeugen zu erkennen."

Ärger im Verkehrsministerium

Im deutschen Verkehrsministerium sorgen die Aussagen für Ärger. "Es gibt eine große Verärgerung gegenüber dem TÜV Nord", hieß es am Montag aus Kreisen des Verkehrsministeriums in Berlin.

Aus Regierungskreisen hieß es am Montag: "Wenn über eine Weiterentwicklung der Prüfsysteme nachgedacht wird, dann sicherlich nicht in der Richtung, den TÜV Nord zu stärken – der TÜV Nord muss erst einmal eigene Versäumnisse erklären." Laut einem Sprecher des Verkehrsministeriums wurden Vertreter des TÜV Nord für Dienstag in die wegen des VW-Abgas-Skandals von Minister Alexander Dobrindt (CSU) einberufene Untersuchungskommission bestellt.

"Schallende Ohrfeige"

Als "schallende Ohrfeige für die Bundesregierung" bezeichnete der Vize-Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer, Rettigs Kritik: "Die Prüfbehörde bestätigt die jahrelange Kumpanei zwischen Bundesregierung und Automobilbranche." Dobrindt werde immer stärker zum Problem inmitten der Aufklärung. "Es darf nicht sein, dass das Verkehrsministerium Prüfern verbietet, die Motorsoftware zu untersuchen – nur weil die Automobilindustrie darum bittet."

Kritik kam auch von der Fraktion der Linken. Deren verkehrspolitische Sprecherin Sabine Leidig sprach mit Blick auf Rettigs Äußerungen von einem "weiteren Skandal im ganzen Abgas-Sumpf".

Auch die Anleger wurden am Montag durch neue Hiobsbotschaften aus den USA verärgert. Die VW-Vorzugsaktien litten darunter, dass die US-Umweltbehörden noch mehr Fahrzeuge von VW sowie den Töchtern Audi und Porsche wegen Abgasmanipulationen ins Visier genommen haben.

Weniger Investitionen

VW-Chef Matthias Müller kündigt angesichts des Skandals um manipulierte Abgaswerte Kürzungen bei den Investitionen an. Jobs sollen aber keine gestrichen werden, sagte er den "Salzburger Nachrichten" am Rande eines Autorennens in Bahrain.

Auch im Motorsportbereich könnte der VW-Konzern (VW, Audi, Porsche) auf die Bremse steigen. "Natürlich wird es so sein, dass man in manche Reglements hineinschaut und vielleicht einen Schritt zurückgeht, aber wir stellen den Sport nicht grundsätzlich infrage", wird Müller am Montag in den "SN" zitiert. "Die Formel 1 ist weiter kein Thema für uns."

Zum Thema Jobs sagte Müller, das Ziel sei es "in jedem Fall, die Stammbelegschaft an Bord zu halten". Jedoch würden verschiedene Investitionen "infrage gestellt oder verschoben. Und man muss zum Teil die geplanten Größenordnungen überprüfen."

Der Rückruf der manipulierten Autos werde "logistisch eine große Herausforderung". "Je nach technischem Aufwand wird es sicher bis Ende nächsten Jahres dauern, bis alles abgearbeitet ist", bekräftigte der neue VW-Boss. Die Einigung mit den Behörden werde noch in diesem Jahr erfolgen. "Technische Lösungen" werde VW "in Kürze" anbieten, so Müller am Rande des Landstrecken-WM-Finales in Bahrain. (APA, 23.11.2015)