Giovanni Segantinis "Strickendes Mädchen", 1888.

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In der Erinnerung friert man nicht. Da ist der Schnee einfach nur weiße, sich über stolze Bergketten legende Wonne und der Eissturm ein Säuseln. Das Bedrohliche verliert der Winter auch vorm TV-Gerät; dort fröstelt nur den, dessen Ofen kalt ist. Die Nacht ist zur Sternstunde Kunst (23.30) bereits tief.

Für den Maler Giovanni Segantini, dessen Werk mit dem Kürzel "Van Gogh der Alpenmalerei" recht treffend umrissen ist, war der Schnee ein "Laken, das den Tod zudeckt", und die Berge – etwa jene im Engadin, wo der Künstler 1899 auf einer Hütte in 2700 Metern Höhe starb (er war 41 Jahre alt) – eine "Schönheit, die ganz selbstverständlich erscheint".

Christian Labharts Film Giovanni Segantini. Magie des Lichts gibt eine Ahnung, warum das Gebirge und der weite Horizont für den Künstler so ein Friede und Freude schenkender Sehnsuchtsraum war: Aus der Stube der Halbschwester in Mailand, wo er nach dem Tod der Eltern verwahrloste, war nur ein Fleck Himmel zu sehen.

Marcos King

Segantinis symbolistische Bilder sind voller Licht. Das Flimmern ungemischt nebeneinandergesetzter Farben zeigt das einfache Leben vor der Monumentalität und Erhabenheit der Natur. Dort fand er Spiritualität, die der bergnärrische Regisseur in eine herzöffnende, atmosphärische Oberfläche übersetzt: Landschaftsaufnahmen, Fotografien und Gemälde, unterlegt mit der Stimme von Bruno Ganz, der aus Segantinis Notizen liest und Pathos wie Poesie klingen lässt. Der biografisch erzählte Film (bis 25. 11. auch im Kino) macht den Maler eher zur literarischen Figur und lässt mit der Musik als Kollaborateur jede Nüchternheit kapitulieren. Erbarme Dich aus Bachs Matthäus-Passion: Gänsehaut auch ohne Frost. (Anne Katrin Feßler, 23.11.2015)