Die Aufgabe hört sich vertraut an – zumindest wenn man ein wenig Einblick in die Modebranche hat. Der alteingesessene Designer eines Modehauses tritt ab und macht Platz für eine neue Kraft. Was tun? Alles umkrempeln oder im Geist des Hauses weiterarbeiten? Nachdem viel Geld in den Sand gesetzt werden kann, entscheiden sich die meisten für Letzteres. Die Archive werden durchforstet, die sogenannte DNA der Marke analysiert, die ikonischen Stücke der Marke hervorgeholt.
Designer wie Raf Simons, der bis vor kurzem bei Dior engagiert war, oder auch Karl Lagerfeld, der seit Mitte der Achtziger bereits bei Chanel werkt, machten bzw. machen genau das. Ihr Erfolg hängt davon ab, ob sie die Tradition der Marke mit dem Zeitgeist in Einklang bringen – und es schaffen, dem Ganzen ihre eigene Handschrift hinzuzufügen.
Als die Vorarlberger Modeautorin Elisabeth Längle ein Lektorat an der Modeklasse der Uni Prag antrat, stellte sie ihren Studenten eine ähnliche Aufgabe: Versetzen Sie sich an die Stelle eines Designers, der die Nachfolge einer Modeikone antritt. Sie holte aus ihrem Kleiderschrank 25 Designeroutfits, jeder Studierende interpretierte eines davon. Das Projekt war so erfolgreich, dass es nach Stationen in Tokio und New York jetzt in Wien zu sehen ist – mit dem Unterschied, dass in der Galerie Mauroner die Modelle auch gekauft werden können. "Das ist der Härtetest", so Längle. Was nutzt nämlich der schönste Modeentwurf, wenn ihn niemand tragen will? (Stephan Hilpold, RONDO, 27.11.2015)