Auf dem Domplatz in St. Pölten haben Archäologen insgesamt über 9.000 Skelette freigelete. Bei einigen aus dem 14. Jahrhundert Fanden Wissenschafter Hinweise auf eine Infektion mit kongenitaler Syphilis.

Foto: MedUni Wien

Wien – Die ersten beschriebenen Fälle der Syphilis traten nach 1493 in spanischen Hafenstädten auf. Lange Zeit hielt man die Infektionskrankheit Syphilis daher für eine Seuche, die Christoph Kolumbus und seine Mannschaften bei ihren Fahrten aus der Neuen Welt nach Europa eingeschleppt haben. Eine aktuelle Untersuchung von Skeletten aus Österreich legt allerdings nahe, dass die Syphilis offenbar länger in Europa grassierte als bisher gedacht.

Wissenschafter von der MedUni Wien konnten bei Ausgrabungen am Domplatz in St. Pölten mehrere Fälle von kongenitaler Syphilis bereits im Zeitrahmen zwischen 1320 und 1390 morphologisch, also strukturell, nachweisen. Die kongenitale Syphilis, die durch die Übertragung von der schwangeren Mutter zum ungeborenen Kind ausgeht, wurde vor allem anhand von Veränderungen am Gebiss von Skeletten aus dem 14. Jahrhundert entdeckt.

"Wir konnten die so genannten Hutchinson-Zähne mit zentralen Einkerbungen und konvergierenden Rändern sowie die Maulbeer- oder Knospenform bei Mahlzähnen nachweisen, die charakteristisch für die Syphilis sind", erklären die Autoren Fabian Kanz und Karl Großschmidt der im Fachjournal "Journal of Biological and Clinical Anthropology" präsentierten Studie.

Spezielle Untersuchungen

Die Knochen und Zähne der Skelette wurden im Zentrum für Anatomie und Zellbiologie der Medizinischen Universität Wien histologisch als unentkalkte Knochendünnschliffe von den Forschern untersucht und analysiert. Diese dünnen Schliffe, die weltweit nur in wenigen Zentren gemacht werden können, erlauben spezielle lichtmikroskopische Untersuchungen und den morphologischen Nachweis des Erregers.

Bisher wurden im Rahmen der europaweit einzigartigen Ausgrabungen am Domplatz in St. Pölten – in enger Kooperation mit der Stadtarchäologie der niederösterreichischen Landeshauptstadt – bisher insgesamt über 9.000 Skelette geborgen, deren Herkunft vom 9. bis zum 18. Jahrhundert reicht. Weitere Studien zur Historie von anderen Erkrankungen und Lebensumständen wurden bereits gestartet.

Der aufsehenerregende Fund erster Syphilis-Nachweise zwischen 1320 und 1390 soll nun im nächsten Schritt sowohl molekularbiologisch als auch mit Hilfe der Proteomik (Untersuchung des Proteoms mit biochemischen Methoden) untermauert werden. Vor allem aus der proteomischen Untersuchung erwarten sich die Wissenschafter weitere Rückschlüsse, da die DNA der Syphilis sehr schnell zerfällt. (red, 24.11.2015)