Pianist Gottlieb Wallisch ist mit eigener Reihe im Muth zu hören.


Foto: Marisa Vranješ

Wien – Der Künstler ist doch ziemlich reisefreudig: eine Tournee in China, Rezitals in Peking, Tianjin, Guangzhou und Schanghai. Dann ein Gastspiel im Teheraner Opernhaus, gefolgt von Konzerten in Japan. Zuletzt dann wieder Näheres, Linz und kürzlich der Wiener Musikverein. Gottlieb Wallisch zählt die Aktivitäten der letzten Monate entspannt auf, ohne Anzeichen etwaiger Überreizung. Er schätzt das Unterwegssein mittlerweile.

Es gab da kleine Phasen der Flugangst, die sei jedoch überwunden. "In China hatte ich vor Jahren einen sehr unangenehmen Flug. Es rüttelte drei Stunden lang ohne Unterlass, die Stewardess beruhigte zwar, es sei alles ganz normal. Dennoch blieb bei mir etwas hängen, ich musste mich mit dem Thema auseinandersetzen – ich wollte ja fliegen." Er habe sich "dann Bücher gekauft, Wissen angehäuft", und es hat geholfen. Nebst diesem Bildungseffekt, den Wallisch für notwendig hielt, ermöglichen Reisen auch Erhellungen, die Differenzen im Kulturverhalten betreffen. Etwa beim Thema "Sympathie des Publikums und ihre kommunikativen Ausformungen".

"Als ich erstmals in Amerika ein Konzert gab, sprang der ganze Saal nach der letzten Note auf – es gab Standing Ovations. Für einen Teenager war das heftig, aber es hatte natürlich nichts damit zu tun, wie ich gespielt habe." Etwas anders in China: "Dort ist der Applaus vor der Pause, egal wie du gespielt hast, verhalten, enden wollend." Die Organisatoren würden einem, so Wallisch, "sogar ein Briefchen überreichen, mittels dessen man gebrieft wird."

Es würde "einem auf diesem Wege nahegebracht, dass der karge Applaus nichts damit zu tun hat, dass die Darbietung schlecht angekommen wäre. Das Publikum geizt traditionell vor der Pause mit Applaus." Ob dies mit Wünschen zusammenhängt, ehebaldigst ans Buffet zu gelangen, will und kann Wallisch nicht beantworten. Spannend sei das Herumkommen jedenfalls, die vielen ungewohnten Säle, die Begegnungen mit immer neuen Instrumenten – all dies sei kein wirkliches Problem.

"Man hat mir immer gesagt: ,Du musst auf jedem Instrument spielen können; du musst einen VW ebenso fahren können wie einen Porsche.' Es muss die prinzipielle Klangkontrolle ja da sein, man muss schnell reagieren können und bisweilen akzeptieren, dass manches nicht geht. Umso toller ist das Gefühl, wenn du ein Klavier triffst, das alle ,Stückln' spielt, wenn du spürst, dass das Instrument reagiert, also viele Schattierungen erlaubt."

Im Wiener Muth, wo Wallisch bald seinen eigenen Zyklus beginnt, ist die Gefahr gering, unangenehm überrascht zu werden. Er kenne den schönen Saal der Wiener Sängerknaben, schätze ihn, und genau für diesen hat er Kammermusikabende mit zeitlichem Rahmen (von 1900 bis 1940) konzipiert. Für den Beginn (am 2. 12.) hat Wallisch Sopranistin Ildikó Raimondi eingeladen, um u. a. Lieder von Zemlinsky, Korngold und Debussy zu interpretieren.

Kommendes Jahr ist dann (am 30. 1.) etwas über George Antheil zu erfahren, den "Bad Boy of Music" (mit Karl Markovics). Es folgt Musik aus den 1930ern (u. a. Schostakowitsch, Bartók und Dohnányi, am 20. 4.), bis beim Finale (14. 6.) Olivier Messiaens Quatour pour la fin du temps eine nachdenklich-tiefe Note setzt.

Dazwischen wird natürlich aber wieder gereist. Es geht nach Kalifornien, im März nach Singapur – "in dieser Saison sind es doch sehr viele Fernreisen", sagt Wallisch. Und wirkt dabei auch selbst etwas verwundert. (Ljubisa Tosic, 24.11.2015)