Für die Angelobung der Rekruten am Nationalfeiertag galt wegen diffuser Terrorbedrohung gegen Uniformierte eine erhöhte Sicherheitsstufe.

Foto: Christian Fischer

Wien – Die Terroranschläge in Frankreich und die damit zusammenhängenden Razzien auch in Belgien und Deutschland haben nach Einschätzung des heimischen Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) das Bedrohungsszenario in Österreich kaum verändert. Seit Monaten herrsche eine erhöhte allgemeine Risikolage – jedoch ohne konkrete Hinweise auf Anschläge oder Attentate in der Alpenrepublik, wie auf Anfrage des STANDARD betont wird.

Doch auch diffuse Bedrohung führt immer wieder zu in der Öffentlichkeit kaum wahrnehmbaren Maßnahmen. So war etwa zuletzt nach weltweiten Aufrufen zu Anschlägen auf uniformierte Kräfte das Polizeiaufgebot bei der Heeresschau anlässlich des Nationalfeiertages auf dem Heldenplatz merklich verstärkt worden. Nach vereinzelten islamistischen Attentaten auf Militärangehörige in Kanada im Vorjahr galt heuer vor allem für die Angelobung der 1.360 Rekruten des Bundesheeres auf dem Heldenplatz höchste Sicherheitsstufe.

Niedriger Verfolgungsdruck

Was den Verfassungsschützern Sorge bereitet, ist, dass die Pariser Anschläge wieder eine neue Facette des Terrors gezeigt haben: Auf die generalstabsmäßig geplante Großaktion von 9/11 folgten Anschläge von selbstradikalisierten Einzeltätern oder sehr kleinen Gruppierungen; nun war seit langem wieder eine offenbar größere Gruppe organisiert, die erstmals in Europa auch Suizidattentäter beinhaltete. Was letztendlich für Präventionsarbeit und Sicherheitsmaßnahmen extrem schwierige Voraussetzungen schaffe.

Dass Saleh Abdeslam, einer der gesuchten Verdächtigen im Zusammenhang mit den Pariser Anschlägen, Anfang September in Oberösterreich bei einer Verkehrskontrolle überprüft worden war und anschließend weiterfahren durfte, wird vom BVT auch auf den niedrigen Verfolgungsdruck hierzulande zurückgeführt. Ähnlich wie in Geheimdienstkreisen könnten Islamisten Österreich als Ruheraum nutzen. Das BVT gibt keine politischen Statements ab, aber das (umstrittene) Staatsschutzgesetz wird willkommen geheißen.

Zum jetzigen Zeitpunkt hat das BVT Kenntnis von 250 "Jihadisten" in Österreich, rund ein Fünftel davon sind Frauen. Bisher 37 verdächtigen Personen wurde die Ausreise verweigert, mindestens 77 sind nach Einsätzen für die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) nach Österreich zurückgekehrt. 42 kamen nachweislich ums Leben. Der Rest befindet sich in Haft oder unter Beobachtung. Der weitaus größte Teil der sogenannten Austrojihadisten hat nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, etwa die Hälfte sind Tschetschenen mit russischen Pässen.

Zwei Flüchtlinge verdächtigt

Der große Flüchtlingsdurchzug in den vergangenen Monaten hat nach Analyse des BVT keine erhöhte terroristische Bedrohung mit sich gebracht. Nur bei zwei Flüchtlingen, die sich in Salzburg in U-Haft befinden, bestehe Verdacht auf einen IS-Bezug. In der Prognose hinsichtlich der gestiegenen Anzahl von Asylwerbern, die in Österreich bleiben, heißt es, dass sich Konfliktpotenzial ergeben könnte, wenn sich Hoffnungen der geflüchteten Menschen nicht erfüllten. Wenn es nicht gelinge, Schutzbedürftigen Perspektiven zu bieten, könnte längerfristig erst recht fruchtbarer Boden für radikales Gedankengut entstehen.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) will ihren umstrittenen Vorschlag, schon bei Jihadismus-Verdacht Betroffene unter Hausarrest zu stellen, weiter mit allen Parteien diskutieren. (Katrin Burgstaller, Michael Simoner, 25.11.2015)