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Kommt bei 1860 München in Schwung: Michael Liendl.

Foto: GEPA /Thomas Bachun

München/Wien – Passiert ist es in der 53. Spielminute. Michael Liendl bekommt einen Pass von Landsmann Rubin Okotie, lässt den Ball einmal abtropfen und drischt ihn aus 25 Meter Entfernung ins Tor. Ein Schuss wie ein Strich. Und eine Befreiung. 1860 München, Liendls Arbeitgeber, gewann am Samstag gegen St. Pauli am Ende 2:0 und verließ damit die direkten Abstiegsränge in der zweiten deutschen Bundesliga. Den zweiten Treffer hat übrigens Okotie erzielt, "Ich wollte zu hundert Prozent schießen. Und ich hab geschossen. Das tut mir gut, ist aber noch viel wichtiger fürs Team", sagt Liendl.

Der 30-jährige Steirer fand sich sogleich im Branchenblatt Kicker in der Elf des Tages wieder. Die Münchner Löwen sind für Liendl Neuland. Deren sportliche Krise auch. Aus 15 Partien wurden magere 13 Punkte geholt. Die Mechanismen der Branche sorgten für einen hurtigen Trainerwechsel, es kam Benno Möhlmann. Ein Glück für Liendl, der sich unter Vorgänger Torsten Fröhling öfter auf der Ersatzbank wiederfand. "Das hat mich überrascht." Der Anfang war schwer. Liendl haderte aber nicht mit sich selbst. "Möhlmann ist ein positiver Typ, aber auch sehr streng. Er gibt mir alle Freiheiten. Ich spüre sein Vertrauen."

Es ist Liendls zweite Station im Ausland. Nach Jobs bei Kapfenberg, Austria und WAC verließ der Spätzünder die Heimat erst mit 28 Jahren. Für Fortuna Düsseldorf gelangen ihm in den vergangenen eineinhalb Jahren elf Tore und 13 Vorlagen. Am Rhein hatte er einen guten Ruf, wurde gar "Alpen-Maradona" genannt. Warum der Wechsel nach München? "Weil sich 1860 sehr um mich bemüht hat. In Düsseldorf gab es Chaos um den Trainerposten, sie wollten mich nicht um jeden Preis halten." Liendls Ex-Klub ist punktegleich Tabellen-Vorletzter.

Machtkampf

Das Chaos bei 1860 München, das ist noch einmal eine andere Kategorie. Zweimal stand der Verein in jüngster Vergangenheit vor der Insolvenz. 2006 kam die Rettung durch den FC Bayern, der den Löwen Schuldanteile von elf Millionen Euro für die gemeinsame Spielstätte, die Allianz-Arena, abnahm. Im Jahr 2011 stieg der umstrittene Investor Hasan Ismaik bei 1860 ein und bewahrte die Löwen mit einer Finanzspritze von 18 Millionen Euro vor dem finanziellen Kollaps. Im Gegenzug erhielt der Jordanier 60 Prozent der Anteile am Verein. Durch die 50+1-Regelung der Deutschen Fußball-Liga sind jedoch nur 49 Prozent der Anteile Ismaiks stimmberechtigt. Aus dieser Konstellation ergeben sich seit dem Einstieg ständige Querelen darüber, wer die Oberhand im Verein hat.

Ismaik war bei Liendls Weitschusstor im Stadion. "Er hat endlich einmal ein gutes Spiel von uns gesehen." Liendl trägt die Rückennummer zehn. Steigert deren Magie die Erwartungshaltung? "Ich bin kein klassischer Zehner, aber auch kein Sechser. Der Trainer will, dass ich vorne mitmische, Angriffe abschließe."

In München spielt Michael Liendl mit 1860 nur die zweite Geige. Gegen den FC St. Pauli kamen dennoch 30.000 Zuschauer ins Stadion. Sie sind sehr leidensfähig. Davor zieht Liendl den Hut. "Die Bayern haben ein unheimliches Niveau erreicht. Unser Fanpotenzial in der Stadt ist aber kaum geringer. Für die Bayern jubeln viele Touristen. Es heißt nicht umsonst hier: München ist blau."

Liendls Traum bleibt die Bundesliga, auch wenn es jetzt einmal um den Klassenerhalt geht. Teamchef Marcel Koller hat ihn einmal gerufen. Beim 2:1-Testspielsieg in Tschechien im Vorjahr wurde Liendl für Andreas Ivanschitz eingewechselt, er durfte 27 Minuten mitwirken. Sein erster und einziger Einsatz bisher im ÖFB-Team. Die EM in Frankreich ist ein Thema. Es gibt auch andere Spieler aus der zweiten Liga, auf die Koller setzt. Liendl: "Im Juni würde ich mir freinehmen." (Florian Vetter, 24.11.2015)