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Beim Turbinenbauer Rolls-Royce wird jeder Stein umgedreht. Lange hat man auf den Trend zu großen Passagierjets gesetzt und damit verschlafen, auch für kleinere Flugzeuge Lösungen parat zu haben.

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Die Krise beim britischen Turbinenbauer Rolls-Royce (RR) dauert. Dem Weltkonzern stehen im Rahmen einer erheblichen Umstrukturierung "schmerzhafte Veränderungen bevor", sagte Vorstandschef Warren East am Dienstag in London. Der seit Juli amtierende CEO will Hierarchien abbauen, Fixkosten reduzieren und Entscheidungen transparenter machen. Die Firmenleitung steht unter hohem Druck von Großaktionären.

Erst kürzlich hat der US-Hedgefonds ValueAct seinen Anteil auf zehn Prozent aufgestockt und Ansprüche auf einen Sitz im Aufsichtsrat angemeldet. Dadurch erhalten bereits bestehende Forderungen mehr Gewicht, der Konzern solle sich auf Flugzeugmotoren konzentrieren und die Marine-Sparte abstoßen.

Wiederholte Gewinnwarnung

RR musste in diesem Monat die fünfte Gewinnwarnung binnen zwei Jahren veröffentlichen. Die Aktie ist in diesem Zeitraum um mehr als die Hälfte gefallen. Easts Strategie zielt auf einen klaren Zeitplan für einzelne Reformschritte. Während der Vorstandschef im August seinen neuen Großaktionär ValueAct noch als "opportunistisch" denunziert hatte, stehen die Zeichen jetzt auf konstruktive Zusammenarbeit. Die Amerikaner haben sowohl das RR-Management selbst wie auch andere Aktionäre mit ihrer Detailkenntnis des Unternehmens überrascht.

Der Konzern mit weltweit mehr als 54.000 Mitarbeitern verfügt mittel- und langfristig über gute Perspektiven. Das Auftragsbuch weist Turbinen, Motoren und Dienstleistungen für globale Firmen und Streitkräfte im Wert von umgerechnet 108,6 Milliarden Euro aus. Darin enthalten ist der größte Deal in der 109-jährigen Unternehmensgeschichte: Im April bestellte Emirates Triebwerke für 50 neue Jumbos der A380-Klasse. 2014 lag der Umsatz bei 20,5 Milliarden Euro, der Vorsteuer-Gewinn ging um acht Prozent auf 2,26 Milliarden zurück. Gleichzeitig investierte RR 1,7 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung.

Trend verschlafen

Die frühere Unternehmensleitung hatte sehr stark auf den Trend zu großen Passagierjets wie den A380 gesetzt und darüber die Entwicklung neuer Motoren für kleinere Flugzeuge vernachlässigt. Das rächt sich jetzt, weil Airlines diesen Flugzeugtyp bevorzugen. Zudem drohen durch eine Korruptionsaffäre, in der die britischen Betrugsbehörde SFO ermittelt, hohe Kosten.

Der niedrige Ölpreis ließ die Nachfrage nach Bauteilen und Motoren im Offshore-Geschäft in den Keller fallen. Das defizitäre Maritimgeschäft mit Sitz in Norwegen ist vielen Analysten lange ein Dorn im Auge. Allerdings wäre angesichts der derzeitigen Wirtschaftslage ein Käufer schwer zu finden. Zur Sparte "Land&Sea" gehört auch die Fertigung von Bauteilen für die Nuklearindustrie sowie die Tochter RRPS mit Sitz in Friedrichshafen.

Das früher als Tognum AG bekannte Unternehmen mit der traditionsreichen Tochter MTU fertigt dezentrale Energieanlagen und Dieselmotoren für die Schifffahrt. Mit dem Update signalisierte East auch mehr Offenheit in der bisher eher austernhaften Kommunikation. Die Verschlossenheit des im mittelenglischen Derby angesiedelten Motorenbauers stieß auf Unverständnis in der City of London, deren auf schnelle Gewinne getrimmte Marktteilnehmer für die tiefergehende Analyse eines in Jahrzehnten denkenden Ingenieurunternehmens selten genug Zeit investieren. (Sebastian Borger aus London, 25.11.2015)